Entscheidungsstichwort (Thema)

Besetzung der Stelle des Präsidenten des Sächsischen Landessozialgerichts (Antrag gemäß § 123 VwGO). Abbruch eines Auswahlverfahrens. Bewerbungsverfahrensanspruch. Beschwerde

 

Leitsatz (amtlich)

Die Beanstandung einer Auswahlentscheidung durch ein Verwaltungsgericht stellt regelmäßig einen Grund dar, der den Dienstherrn zum Abbruch des Auswahlverfahrens berechtigt.

Durch einen sachlich gerechtfertigten Abbruch während eines Konkurrentenstreitverfahrens wird der Bewerbungsverfahrensanspruch des zunächst ausgewählten Bewerbers nicht verletzt.

 

Normenkette

GG Art. 33 Abs. 2

 

Verfahrensgang

VG Chemnitz (Beschluss vom 17.07.2003; Aktenzeichen 6 K 642/03)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 17. Juli 2003 – 6 K 642/03 – wird zurückgewiesen.

Der Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 22.421,51 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde des Beigeladenen kann keinen Erfolg haben, weil eine Verletzung von Rechten des Beigeladenen durch den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht mehr in Betracht kommt.

Gegenstand des angefochtenen Beschlusses ist die erste Auswahlentscheidung des Antragsgegners zugunsten des Beigeladenen in dem Verfahren zur Besetzung der Stelle des Präsidenten des Sächsischen Landessozialgerichts. Diese erste Auswahlentscheidung hat sich dadurch erledigt, dass der Antragsgegner während des Beschwerdeverfahrens das Auswahlverfahren rechtsfehlerfrei abgebrochen hat. Daher kann die Frage, ob der Anspruch des Beigeladenen – ebenso wie die Ansprüche des Antragstellers und anderer Bewerber – auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Berücksichtigung der Bewerbung erfüllt worden ist, nur noch auf der Grundlage einer neuen Auswahlentscheidung beantwortet werden.

1. Nach allgemeiner Ansicht kann der Dienstherr die ihm im Haushaltsplan zugeordneten Stellen allein nach organisations- und verwaltungspolitischen Bedürfnissen bewirtschaften. Diese organisatorische Dispositionsbefugnis umfasst die Entscheidungen über den Beginn, die Gestaltung und die Beendigung von Stellenbesetzungsverfahren. Die auf Art. 33 Abs. 2 GG beruhenden Ansprüche von Bewerbern auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Berücksichtigung bei der Entscheidung über die Stellenvergabe sind von der Durchführung eines konkreten Auswahlverfahrens abhängig; aus ihnen ergeben sich rechtliche Anforderungen an die konkret anstehende Auswahlentscheidung und deren Vorbereitung (sog. Bewerbungsverfahrensansprüche). Im Hinblick auf diese Rechtsstellung der Bewerber bedarf die Entscheidung, ein konkretes Auswahlverfahren abzubrechen, jedenfalls dann eines sachlichen Grundes, wenn der Dienstherr an der Entscheidung, die Stelle zu besetzen, festhält (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 25.4.1996, DVBl. 1996, 1146; Urt. v. 22.7.1999, DVBl. 2000, 485; Urt. v. 16.8.2001, DÖV 2001, 1044; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 6.11.1997, DÖD 1998, 167; OVG Saarland, Beschl. v. 29.5.2002, NVwZ-RR 2003, 48; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 15.1.2003 – 1 B 2230/02 –).

Entschließt sich der Dienstherr zum Abbruch eines Auswahlverfahrens, nachdem er den Bewerbern bereits eine Auswahlentscheidung mitgeteilt hat, so bringt er durch die Mitteilung über den Abbruch zugleich zum Ausdruck, dass er an der zuvor mitgeteilten Auswahlentscheidung nicht mehr festhält. Der von einem sachlichen Grund getragene Abbruch des Auswahlverfahrens hat zwangsläufig zur Folge, dass die zuvor mitgeteilte Auswahlentscheidung gegenstandslos wird.

Aufgrund der organisatorischen Dispositionsbefugnis des Dienstherrn kann dieser nach pflichtgemäßem Ermessen über den Abbruch eines konkreten Auswahlverfahrens entscheiden. Die Abbruchentscheidung ist nur dann rechtswidrig, weil nicht durch einen sachlichen Grund gedeckt, wenn sie entweder nicht auf der Grundlage eines richtigen und vollständigen Sachverhalts getroffen worden ist, von sachfremden Gesichtspunkten beeinflusst ist oder die herangezogenen Gründe für sich genommen oder in der Gesamtschau nicht nachvollziehbar sind.

Der zunächst ausgewählte Bewerber genießt Schutz vor einem Abbruch, der nicht sachlich gerechtfertigt ist. In diesem Fall kann er die Fortführung des Stellenbesetzungsverfahrens auf der Grundlage der ihn begünstigenden Auswahlentscheidung beanspruchen. Ein darüber hinausgehendes Vertrauen des ausgewählten Bewerbers in den Bestand der ihn begünstigenden Auswahlentscheidung ist jedenfalls dann nicht schutzwürdig, wenn zum Zeitpunkt des Abbruchs noch ein Rechtsschutzverfahren im Gange ist, das ein zunächst unterlegener Bewerber angestrengt hat, um die Besetzung der Stelle mit dem ausgewählten Bewerber zu verhindern. Dies zeigt die Regelung des § 50 VwVfG, in der ein allgemeiner Rechtsgrundsatz für die sog. Drittanfechtung zum Ausdruck kommt. Danach kann die Behörde im Falle der Anfechtung eines Verwaltungsakts mit Drittwirkung durch einen belasteten Dritten – ohne Bindung an die gesetzlic...

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