Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Angemessenheit der Unterkunfts- und Heizkosten. selbst genutzte Eigentumswohnung als Schonvermögen. verfassungskonforme Auslegung

 

Orientierungssatz

1. Im Freistaat Sachsen ist bei der Angemessenheitsprüfung nach § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 nach wie vor auf die bereits unter der Geltung des BSHG herangezogene Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Innenministeriums zum Sächsischen Belegungsrechtsgesetz (VwV-SächsBelG) vom 22.4.1996 (SächsABl Seite 478) - ungeachtet ihres Außerkrafttretens - abzustellen (vgl LSG Chemnitz vom 24.10.2006 - L 3 B 158/06 AS-ER). Danach ist bei einen 1-Personen-Haushalt von einer Wohnflächengrenze von 45qm auszugehen.

2. Aus dem Verwertungsschutz für eine selbst genutzte Eigentumswohnung des § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2 kann nicht gefolgert werden, der für die Angemessenheitsbetrachtung im Rahmen des § 22 SGB 2 relevante Flächenbedarf müsse bei Wohnungseigentum erhöht werden (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 2/05 R = SozR 4-4200 § 12 Nr 3 und 16.5.2007 - B 11b AS 37/06 R = SozR 4-4200 § 12 Nr 4). Eine Privilegierung von Wohnungseigentümern gegenüber Mietern durch Anlegung eines an § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2 orientierten Angemessenheitsmaßstabes auch bei der Frage der Angemessenheit der Unterkunftskosten ist nicht zu rechtfertigen.

3. Bei Überschreitung der als angemessen zu betrachtenden Wohnflächengrenze sind Heizkosten nur anteilig im Verhältnis zur angemessenen Wohnfläche zu berücksichtigen.

4. Zur Zumutbarkeit der Senkung der Unterkunftskosten (§ 22 Abs 1 S 3 SGB 2 nF) durch Verkauf oder (Unter-)Vermietung der selbst genutzten Eigentumswohnung.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 22.09.2009; Aktenzeichen B 4 AS 70/08 R)

 

Tenor

I.

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 08. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung von höheren Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Die Klägerin ist nach dem Tod ihres Ehemannes am 08. September 2006 alleinige Eigentümerin und Bewohnerin einer 60,42 qm großen 3-Zimmer-Wohnung (zuzüglich Küche und Bad). Im Jahr 2006 zahlten die Eheleute bzw. die Klägerin für die beiden Kredite, die für die Finanzierung des Immobilienerwerbs aufgenommen wurden, Zinsen in Höhe von 2.107,56 €, wobei hinsichtlich eines Darlehensvertrages im Laufe des Jahres 2006 eine nicht näher bekannte Zinsanpassung erfolgte. Ab dem 01. Januar 2007 hatte die Klägerin an die Eigentümergemeinschaft monatliche Hausgeldzahlungen in Höhe von 227,00 € zu erbringen. Hierbei entfielen auf der Grundlage des Verbrauchs für das Kalenderjahr 2005 65,27 € auf eine Vorauszahlung für Heizkosten (ohne Warmwasser). Weiterhin fielen Kosten für die Grundsteuer in Höhe von 8,50 € monatlich sowie für eine Haushaltsversicherung in Höhe von 7,28 € monatlich an.

Die Beklagte gewährte der Klägerin und ihrem bis zu seinem Versterben mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Ehemann seit dem 01. Januar 2005 fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Schreiben vom 20. Oktober 2006 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Kosten der Unterkunft würden nur noch bis April 2007 in voller Höhe berücksichtigt, danach erfolge eine Kappung auf die angemessene Höhe. Im Falle der Klägerin seien dies 216,00 € zuzüglich Heizkosten von 1,07 €/qm auf der Grundlage einer für angemessen gehaltenen Wohnfläche von 45 qm.

Mit Bescheid vom 22. Dezember 2006 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 27. März 2007 und des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2007 bewilligte die Beklagte der Klägerin für den Zeitraum vom 01. Januar 2007 bis 30. Juni 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Für die Zeit von Januar bis April 2007 brachte sie dabei 354,20 € als Kosten für Unterkunft und Heizung in Ansatz, ab dem 01. Mai 2007 verringerte sich dieser Betrag auf 264,20 € (Bescheid vom 27. März 2007). Hieraus ergab sich ein monatlicher Gesamtzahlbetrag in Höhe von 391,49 € für die Zeit vom 01. Januar bis 30. April 2007 sowie ein solcher in Höhe von 301,49 € für die Zeit vom 01. Mai bis 30. Juni 2007. Das gegen die Absenkung der Unterkunftskosten von der Klägerin betriebene einstweilige Rechtsschutzverfahren blieb ohne Erfolg (Beschluss des Sozialgerichts (SG) Chemnitz vom 09. Juli 2007 - S 25 AS 1723/07 ER; Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts vom 18. Februar 2008 - L 2 B 363/07 AS-ER).

Mit Bescheiden vom 15. Juni 2007 bewilligte die Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 01. Juli 2007 bis 31. März 2008 monatliche Leistungen in Höhe von 306,90 €, wovon 264,20 € auf die Unterkunftskosten entfielen. Der hiergegen eingelegte Widerspruch der Klägerin wurde mit Bescheid der Beklagten vom 18. Juli 2007 zurückgewiesen.

Mit der hiergegen am 09. August 2007 beim SG erhobenen Klage hat die Klägerin ...

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