Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. innerer Zusammenhang. Unterbrechung. Nichtfeststellbarkeit der Unterbrechungsdauer. Beweislast

 

Orientierungssatz

1. Wird der Weg zwischen Arbeitsstätte und Wohnheim aus eigenwirtschaftlichen Gründen unterbrochen (hier wegen einer theoretischen Fahrprüfung) und ist der zeitliche Umfang der Unterbrechung nicht mehr feststellbar, trägt der Versicherte die objektive Beweislast dafür, dass nach Ende der Unterbrechung der Versicherungsschutz wieder auflebt (Abweichung von BSG vom 20.8.1987 - 5a RKnU 1786 = BSGE 62, 100; Anschluss an LSG Darmstadt vom 24.6.1998 - L 3 U 685/96 = HVBG-INFO 1998, 3194).

2. Die Frage, ob eine Unterbrechung länger als zwei Stunden andauerte, ist keine rechtshindernde oder rechtsvernichtende Tatsache, sondern eine anspruchsbegründende bzw anspruchserweiternde Tatsache.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 02.12.2008; Aktenzeichen B 2 U 26/06 R)

BSG (Beschluss vom 30.10.2007; Aktenzeichen B 2 U 26/06 R)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Unfalls vom 26.10.1976 als Arbeitsunfall.

Der 1958 geborene Kläger war im Jahr 1976 Lehrling zum Baufacharbeiter bei dem VEB BMK Kohle und Energie, KB Industriebau D. Der berufstheoretische Unterricht fand in D in der S Straße statt, der Kläger wohnte zu dieser Zeit im Lehrlingswohnheim, das sich in D-T befand. Parallel zur beruflichen Ausbildung war der Kläger Mitglied in der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) und nahm dort an einem Fahrschullehrgang teil. Am Unfalltag, dem 26.10.1976, nahm der Kläger in diesem Zusammenhang an der theoretischen Fahrprüfung teil. Gemeinsam mit dem Zeugen F fuhr der Kläger auf dessen Motorrad als Sozius zur theoretischen Fahrprüfung in der damaligen D kommunalen Berufsschule 1 in der heutigen G in D. Nach der theoretischen Fahrprüfung fuhr der Kläger wiederum als Sozius auf dem Motorrad des Zeugen F Richtung Lehrlingswohnheim. Auf dem Weg dorthin verursachte der Zeuge F einen Unfall, wobei der Zeuge F auf den linken hinteren Kotflügel eines PKW auffuhr. Dabei wurde das rechte Knie des Klägers zwischen dem Seitengepäckständer des Motorrads und dem Kotflügel eingeklemmt und verletzt. Der Kläger zog sich hierdurch eine Knorpelabsprengung am lateralen Femurcondylus zu. Behandlungen fanden u.a. 1976 und 1981 statt.

Nach erneuten behandlungsbedürftigen Beschwerden im rechten Kniegelenk machte der Kläger mit Schreiben vom 21.10.2001 gegenüber der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft die Erstattung von Behandlungskosten infolge eines Wegeunfalls vom 26.10.1976 geltend. Die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft gab die Unterlagen an die Bau-BG Bayern und Sachsen, deren Rechtsnachfolgerin die Beigeladene ist, ab. Diese zog medizinische Unterlagen und Auskünfte des Klägers sowie der Nachfolgerin des Ausbildungsbetriebes, der W Bau AG, bei. Danach fand sich im Unfalljournal des Ausbildungsbetriebes der Vermerk "GT" für gesellschaftliche Tätigkeit. Entsprechend einer Mitteilung der W Bau AG vom 12.07.2002 wurde die gesellschaftliche Tätigkeit betrieblich gefördert; die gesellschaftliche Tätigkeit war bezogen auf die Teilnahme an einer Veranstaltung bei der GST. Die Beigeladene nahm die Zuständigkeit der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung als Vorgängerin der Beklagten an und gab das Verfahren an diese ab.

Die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung lehnte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 19.08.2002 die Anerkennung des Unfalls vom 26.10.1976 als Arbeitsunfall ab. In Betracht käme die Anerkennung als Arbeitsunfall unter Berücksichtigung von § 1 der Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller oder sportlicher Tätigkeiten vom 11.04.1973. Diese nur nach dem Recht der ehemaligen DDR, nicht aber nach dem Dritten Buch der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu entschädigenden Unfälle seien nicht als Arbeitsunfälle anzuerkennen, wenn sie einem ab 01.01.1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Unfallversicherungsträger erst nach dem 31.12.1993 bekannt geworden seien. Da der Unfall im Zusammenhang mit der GST stehe und nicht habe nachgewiesen werden können, dass die GST-Ausbildung Bestandteil der Berufsausbildung gewesen sei, müsse die Teilnahme an dieser Organisation dem persönlichen Bereich zugerechnet werden, für den kein Unfallversicherungsschutz nach dem Dritten Buch der RVO bestanden hätte. Aufgrund des Bekanntwerdens des Unfalls erst nach dem 31.12.1993 seien die Voraussetzungen für eine Entschädigung des Unfalls nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nicht erfüllt.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.02.2003 unter Wiederholung der Argumente des angefochtenen Bescheides zurück.

Sein Begehren hat der Kläger mit der am 18.02.2003 zum Sozialgericht Dresden erhobenen Klage weiterverfolgt und u.a. ausgeführt, dass ihm unbekannt gewesen sei, den Unfall bis zum 31.12.1993 geltend machen zu müs...

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