Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsausbildungsbeihilfe. Bedarf für den Lebensunterhalt. Höhe. Einkommensanrechnung. Elterneinkommen. keine Beschränkung auf zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Berufsausbildungsbeihilfe ist eine besonders geregelte Leistung, die auch der Sicherung des Lebensunterhaltes von Auszubildenden während ihrer beruflichen Ausbildung dient.

2. Es gibt im SGB III keine Rechtsgrundlage dafür, dass Unterhalt der Eltern nur in Höhe des zivilrechtlichen Anspruches angerechnet wird.

3. Der Gesetzgeber kann, ähnlich wie bei der Einkommensanrechnung nach § 9 Abs 2 und 5 SGB II in Bezug auf Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft oder einer Haushaltsgemeinschaft, davon ausgehen, dass sich die Angehörigen, deren Einkommen bei der Berechnung eines Anspruches auf Berufsausbildungsbeihilfe zu berücksichtigen sind, Unterhalt leisten unabhängig von Grund und Höhe eines etwaigen zivilrechtlichen Unterhaltsanspruches.

4. Zur Verfassungsmäßigkeit der Regelungen über die Anrechnung von Einkommen der Eltern bei der Ermittlung eines Anspruches auf Berufsausbildungsbeihilfe.

 

Nachgehend

BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 13.11.2018; Aktenzeichen 1 BvR 1223/18)

BSG (Beschluss vom 06.02.2018; Aktenzeichen B 11 AL 67/17 B)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 22. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.

II. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe für die Zeit vom 1. November 2013 bis zum 31. Juli 2015 für eine inzwischen abgeschlossene Berufsausbildung.

Die am …1990 geborene Klägerin beantragte am 10. September 2013 die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe für die Ausbildung als Fotografin. Nach dem Berufsausbildungsvertrag vom 30. Juli 2013 mit einem in A.... ansässigen Fotostudio begann die Ausbildung am 1. September 2013 und endete am 31. Juli 2015. Die Ausbildungsdauer bei dieser Ausbildungsstätte verringerte sich um 12 Monate, da die Klägerin ihre Ausbildung in einer anderen Ausbildungsstätte begonnen und nach dem ersten Ausbildungsjahr die Ausbildungsstätte gewechselt hatte. Nach dem Berufsausbildungsvertrag erhielt die Klägerin im zweiten Ausbildungsjahr eine monatliche Bruttoausbildungsvergütung in Höhe von 200,00 EUR und im dritten Ausbildungsjahr in Höhe von 260,00 EUR.

Die Ausbildungsstätte befand sich nach dem Berufsausbildungsvertrag in Y.... "(bei Bedarf)". Zu den Fahrkosten gab die Klägerin im Antrag an, dass ihr Kosten für sechs Pendelfahrten zwischen A.... und Y.... jeweils an sechs Tagen entstünden. Die kürzeste Fahrstrecke betrage 66,3 km (einfach). Ferner entstünden ihr Kosten für Familienheimfahrten zwischen A.... und B.... mit einer kürzesten Fahrstrecke von 16,9 km (einfach). Der Schulunterricht der Berufsbildenden Schulen in W.... finde alle vier Wochen für je eine Woche statt. Eine Fahrstrecke betrage 91 km, die Fahrstrecke pro Schulwoche insgesamt 910 km.

Die Klägerin, die bei ihren Eltern in B.... gewohnt hatte, schloss am 3./29. August 2013 einen Mietvertrag für eine Wohnung und einen Hauswirtschaftsraum in A.... ab. Der Mietbeginn war am 1. November 2013. Für die Wohnung hatte die Klägerin zusammen mit einem Mitbewohner monatlich 389,70 EUR zuzüglich 55,00 EUR für den Hauswirtschaftsraum zu zahlen.

Ausweislich des Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2011 vom 12. Juni 2013 betrugen die Einkünfte (abzüglich Werbungskosten) des Vaters der Klägerin 55.982 EUR und der Mutter der Klägerin 43.591 EUR.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 11. November 2013 ab, da der Klägerin für ihren Lebensunterhalt und für ihre Berufsausbildung die erforderlichen Mittel anderweitig zur Verfügung stünden.

Der Vater der Klägerin legte als von ihr bevollmächtigter Rechtsanwalt mit Schreiben vom 23. November 2013 Widerspruch ein. Er kritisierte, dass die Berechnung teilweise nicht nachvollziehbar sei. Im Kern machte er geltend, dass keine Grundlage ersichtlich sei, auf Grund derer der Klägerin als verfügbares Mittel ein Teil des Einkommens ihrer Eltern angerechnet werden könne, wenn der angerechnete Teil des Einkommens der Eltern über den Unterhaltsanspruch der Klägerin hinausgehe. Er machte sodann Ausführungen zu einem angemessenen Gesamtunterhaltsbedarf für einen volljährigen Studenten/Auszubildenden, der nicht bei seinen Eltern wohnt, auf der Grundlage der Rechtsprechung und der Düsseldorfer Tabelle. Dieser habe einen Gesamtunterhaltsbedarf in Höhe von 670,00 EUR monatlich.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2014 zurück. Sie legte unter Angabe der einschlägigen Rechtsgrundlagen die Berechnung des geltend gemachten Anspruches dar.

Die Klägerin hat am 4. Februar 2014 Klage erhoben. Der Klägerbevollmächtigte hat auf der Grundlage von verschiedenen rechtlichen Erwägungen die Auffassung vertreten, dass eine Regelungs...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge