Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Sonderbedarf. Wohnungserstausstattung. Ersatz abgenutzter und verschimmelter Möbel. außergewöhnlicher Umstand. stationäre Rehabilitationsmaßnahme. Antragserfordernis. gesonderter Antrag. Bedarfsdeckung durch Dritten nach Antragstellung. keine Anspruchsvernichtung. keine Erstattungsfähigkeit. Ermessensentscheidung

 

Orientierungssatz

1. Ein Anspruch auf Erstausstattung iS des § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB 2 kommt nicht in Betracht, wenn die Möbel in der früheren Wohnung wegen Abnutzung und Gebrauch sowie Schimmelbefall nicht mehr zu nutzen waren und daher entsorgt wurden und wegen der Wertlosigkeit der Möbel von der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den ehemaligen Vermieter abgesehen wurde. Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass der Arbeitsuchende seine Wohnung aufgelöst hat, um zu seiner Mutter zu ziehen und von dort aus, wegen seiner Alkoholkrankheit länger anhaltende stationäre Rehabilitationsmaßnahmen anzutreten.

2. Das Antragserfordernis aus § 37 Abs 1 SGB 2 gilt für alle Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, mithin auch für Leistungen für Erstausstattung der Wohnung einschließlich Hausgeräten (vgl LSG Chemnitz vom 17.4.2008 - L 3 AS 107/07).

3. Leistungen zur Wohnungserstausstattung sind in einem Antrag auf laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht erkennbar mit inbegriffen, denn sie betreffen einen speziellen, mit dem Bezug einer Wohnung verbundenen einmaligen Bedarf. Sofern nicht ausnahmsweise besondere Umstände vorliegen ist ein Bedarf an Wohnungsausstattung neben dem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes geltend zu machen (vgl LSG aaO).

4. Bei einer Bedarfsdeckung nach Antragstellung ist die zwischenzeitlich erfolgte Bedarfsdeckung - zum Beispiel durch Leistungen Dritter - jedenfalls in Fällen, in denen einem Arbeitsuchenden ein längeres Zuwarten auf die Entscheidung über die Erstausstattungsgewährung aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar erscheint und der Grundsicherungsträger bereits darauf hingewiesen hat, dass die Entscheidung wohl negativ ausfallen werde, nicht anspruchsvernichtend.

5. Eine Bedarfsdeckung sofort nach Antragstellung schließt die Erstattungsfähigkeit aus, wenn die Anschaffung nicht unaufschiebbar war und dennoch vor einer (Ablehnungs-)Entscheidung des Grundsicherungsträgers erfolgt. Denn der Gesetzgeber hat dem Grundsicherungsträger gemäß § 23 Abs 3 S 5 SGB 2 die Ausübung von Ermessen hinsichtlich der Art der Bedarfsdeckung (Geldleistung, gegebenenfalls als Pauschalbetrag, oder Sachleistung eingeräumt. Diese Ermessensentscheidung würde vereitelt, wenn ein Arbeitsuchender im Vorgriff auf eine Entscheidung des Grundsicherungsträgers die Beschaffung selbst vornimmt, so dass nur noch eine Kostenerstattung in Betracht kommt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 19.08.2010; Aktenzeichen B 14 AS 36/09 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 26.07.2007 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die von ihm aufgewandten Kosten für die Ausstattung seiner Wohnung zu ersetzen.

Der ... 1950 geborene Kläger beantragte am 26.01.2005 erstmals Leistungen der Beklagten. Zuvor hatte er Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von dem für seinen früheren Wohnsitz in W zuständigen Leistungsträger erhalten. Er zog zunächst in die Wohnung seiner Mutter, die ihm unter dem 04.02.2005 bestätigte, dass sie ihn finanziell nicht unterstütze. Vom 26.01.2005 bis zum 01.03.2005 sowie vom 18.03.2005 bis zum 31.12.2005 befand der Kläger sich in Rehabilitationseinrichtungen. Er bezog seit dem 26.01.2005 Leistungen der Beklagten.

Auf den am 14.07.2005 gestellten Fortzahlungsantrag hin bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen vom 01.08.2005 bis zum 31.01.2006 (Bescheid vom 18.07.2005).

Mit Veränderungsmitteilung vom 23.08.2005 teilte der Kläger der Beklagten mit, er ziehe am 01.10.2005 in eine eigene Wohnung. Der entsprechende Mietvertrag datiert vom 16.08.2005.

Der Kläger stellte am 23.08.2005 bei der Beklagten einen formlosen Antrag auf Erstausstattung für den neu zu beziehenden Wohnraum. Er wohne bei seiner Mutter und besitze kein eigenes Wohnungsinventar. Der Umzug erfolge am 01.10.2005. Der Antrag trägt den vom 13.09.2005 datierten Vermerk "abgelehnt".

Mit Bescheid vom 30.08.2008 änderte die Beklagte die bisherige Bewilligungsentscheidung für die Zeit ab dem 01.10.2005 unter Berücksichtigung der nunmehrigen höheren Kosten der Unterkunft.

Mit dem streitigen Bescheid vom 24.10.2005 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erstausstattung ab, weil davon auszugehen sei, dass Mobiliar vorhandenen sei. Preiswertes Mobiliar könne zudem beim Erwerbslosentreff in O erworben werden.

Den hiergegen gerichteten Widerspruch, mit dem der Kläger vortrug, das Mobiliar, d...

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