Entscheidungsstichwort (Thema)

Angelegenheiten nach dem SGB II

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Stadt Grimma ist mit 30.273 Einwohnern ausreichend groß, um einen einen eigenen örtlichen Vergleichsraum bilden zu können. Diesem gehören auch die eingemeindeten ländlich-dörflich geprägten Ortsteile an.

2. Die dem vom Kreistag am 05.10.2011 beschlossenen Konzept zugrunde liegenden bis 30.06.2010 erhobenen Daten können für die Zeit ab 01.07.2010 zur Beurteilung der Angemessenheit der Unterkunftskosten herangezogen werden. Zwar hat das BSG in seinen Urteilen vom 19.10.2010 (B 14 AS 2/10 R und B 14 AS 65/09 R) gefordert, das "schlüssige Konzept" müsse bereits im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorliegen. Angesichts der Tatsachen, dass einerseits zwischen Datenerhebung und Beschlussfassung des kommunalen Trägers über die Festlegung der angemessenen Werte notwendigerweise Zeit verstreicht, und andererseits das BSG im Falle des Fehlens eines schlüssigen Konzepts eine Nachholung der unterbliebenen Datenerhebung und -aufbereitung (BSG, Urteil vom 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R, juris, Rn. 19) verlangt, bestehen keine Bedenken auf die bis zum 30.06.2010 erhobenen Daten für danach liegende Zeiträume zurückzugreifen.

3. Der Beklagte hat bei der Festlegung einer Angemessenheitsgrenze zulässigerweise neben Bestandsmieten der Leistungsempfänger die im Zeitraum vom 01.07.2008 bis 30.06.2010 von empirica erhobenen Angebotsmieten einbezogen.

4. Dass der Beklagte als Kappungsgrenze das untere Drittel der zur Vermietung angebotenen Wohnungen, mindestens jedoch den Spannoberwert von 80 Prozent der Betandswohnungen der Leistungsempfänger festgelegt hat, ist nicht zu beanstanden. Die Grenzziehung nach der Höhe des Mietpreises kann beim Richtwert des unteren Drittels der Angbebotsmieten erfolgen, weil bei der Datenerhebung nicht lediglich Wohnungen einfachen Standards, sondern auch solche mittleren, gehobenen und sogar luxeriösen Standards eingeflossen sind. Zudem ist nicht der obere Spannwert der Bestandsmieten der Leistungsempfänger zugrunde zu legen, weil nicht alle SGB II- und SGB XII-Leistungsempfänger in Wohnungen lediglich einfachen Standards wohnen.

5. Gegen die Ermittlung der angemessenen kalten Betriebskosten aus dem Durchschnittswert (1,14 € pro m²) der Wohnungen der Leistungsempfänger bestehen keine Bedenken. Eine Diffrenzierung nach Wohnungsgrößen ist nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R, Rn. 34; Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 9/14 R, Rn. 33; SächsLSG, Urteil vom 19.12.2013 - L 7 AS 637/12, Rn. 193; alle juris).

 

Normenkette

SGB II § 22 Abs. 1 Sätze 1, 3; SächsAGSGB § 18; WoGG § 12 Abs. 4-5

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 28. April 2014 geändert.

Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 25. März 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 27. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2010 verurteilt, dem Kläger für Juli 2010 weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 40,61 € zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat dem Kläger ein Zehntel seiner außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Gewährung höherer Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.04.2010 bis 30.09.2010 für seine Unterkunft einschließlich der Kabelgebühren.

Der 1951 geborene Kläger bezieht seit 2005 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom Beklagten. Er bewohnt eine 54,37 m² große Drei-Zimmer-Wohnung, für die er in der hier streitigen Zeit 250,10 € Miete zuzüglich 80,29 € Betriebskosten ein-schließlich Wassergeld bis 30.06.2010 bzw. 87,52 € Betriebskosten einschließlich Wassergeld ab 01.07.2010 monatlich zu entrichten hatte. Außerdem fielen Abfallgebühren am 01.03.2010 und am 01.09.2010 in Höhe von jeweils 20,76 € und Gebühren für das Ka-belfernsehen in Höhe von 14,99 € monatlich an. Für Gas hatte der Kläger bis 31.05.2010 62,00 € und ab 01.06.2010 65,00 € monatlich zu zahlen. Die Wohnung wird über eine Gasetagenheizung beheizt, die auch Warmwasser bereitet; daneben verfügt der Kläger über einen Warmwasserboiler in einem Raum (Bestätigung der Vermieter vom 07.03.2009).

Im Bewilligungsbescheid vom 11.04.2005 wies der Beklagte darauf hin, dass ab 01.07.2005 nur noch die angemessenen Kosten der Unterkunft laut damaligem Sonderkreistagsbeschluss vom 07.09.2004 übernommen werden würden. Dieser Hinweis findet sich auch im Änderungsbescheid vom 11.04.2005. In der Folgezeit berücksichtigte der Beklagte bei dem Kläger regelmäßig lediglich die nach dem o.g. Sonderkreistagsbeschluss angemessene Bruttokaltmiete von 280,00 € monatlich bei den Kosten der Unterkunft.

Im Rahmen seines Weiterbewilligungsantrags vom 17.11.2009 für den hier streitigen Zeitraum beantragte der Kläger - wie bereits für die Bewilligungszeiträume vorher - die Übernahme der monatlic...

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