Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. Bewilligung ab einem nach Antragstellung liegenden Zeitpunkt. Beschwerde. Rechtsschutzbedürfnis. Einreichung einer Klagebegründung keine Voraussetzung für die Prüfung der Erfolgsaussicht. Abgrenzung von Einkommenserzielung und Vermögensumschichtung. Arbeitslosengeld. Beiordnung eines Rechtsanwalts. Amtsermittlung. Anhörung. Hinreichende Bestimmtheit einer Aufhebungsentscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wenn Prozesskostenhilfe erst ab einem nach der Antragstellung liegenden Zeitpunkt bewilligt wird, kann für eine hiergegen gerichtete Beschwerde das Rechtsschutzbedürfnis vorliegen, wenn die Möglichkeit besteht, dass die beigeordneten Rechtsanwälte Vergütungsansprüche gegen die Partei geltend machen können, bei denen die Anspruchsvoraussetzungen außerhalb des Zeitraumes der Prozesskostenhilfebewilligung entstanden sind.

2. Die Einreichung einer Klagebegründung ist keine Voraussetzung für die Prüfung der Erfolgsaussicht einer Klage. Der im sozialgerichtlichen Verfahren geltende Amtsermittlungsgrundsatz gebietet es, dass das Gericht den gesamten aktenkundigen Sachverhalt zur Kenntnis nimmt und auch dann, wenn keine weitergehende Begründung des Klagebegehrens erfolgt, hieran die Erfolgsaussicht prüft. Soweit eine Klage nicht begründet worden ist, hat jedenfalls eine summarische Prüfung der als rechtswidrig beanstandeten Bescheide, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme der Verwaltungsakte und insbesondere des Vorbringens im Widerspruchsverfahren, zu erfolgen (Fortführung der Senatsrechtsprechung, vgl LSG Chemnitz vom 15.1.2013 - L 3 AS 1184/12 B PKH).

3. Zur Abgrenzung von Einkommenserzielung und Vermögensumschichtung beim Weiterverkauf von im Internet gekauften Gegenständen.

 

Normenkette

SGB X § 24 Abs. 1, § 33 Abs. 1, § 41 Abs. 1 Nr. 3, § 48 Abs. 1 S. 2; SGB III a.F. § 141; SGG § 73a Abs. 1 S. 1, § 172 Abs. 3 Nrn. 1-2; ZPO §§ 114, 122 Abs. 1 Nr. 3, § 127 Abs. 2 S. 2

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 15. März 2013 abgeändert.

Der Klägerin wird für das Klageverfahren ab Antragstellung Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt … als Bevollmächtigter beigeordnet.

Derzeit sind weder Raten zu zahlen noch Zahlungen aus dem Vermögen zu leisten.

II. Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich mit der Beschwerde gegen die Ablehnung ihres Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren für die Zeit von der Antragstellung bis zum 12. November 2012.

Die Beklagte hatte der Klägerin Arbeitslosengeld bewilligt. Auf Grund eines Amtshilfeersuchens des Finanzamtes F… (Steuerfahndungsstelle) wurde der Beklagten im Januar 2011 bekannt, dass die Klägerin seit 2004 gewerbliche Einkünfte über die e…-Plattform erzielt haben könnte. Im April 2011 erhielt sie konkrete Angaben zu den ermittelten Einkünften ab 2004.

Mit Schreiben vom 11. Mai 2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie Einkünfte bei e… erzielt habe, die auf das Arbeitslosengeld anzurechnen seien. Die Klägerin wurde unter Fristsetzung aufgefordert, die vom 11. März 2006 bis zum 11. März 2007 erzielten monatlichen Einkünfte mitzuteilen. Das Schreiben enthielt Hinweise auf die Regelungen in den §§ 60 und 66 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I).

Nachdem die Klägerin auf die Mitwirkungsaufforderung nicht reagierte, erließ die Beklagte am 20. Juni 2011 einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, mit dem sie die Arbeitslosengeldbewilligung "für die Zeit vom 13. März 2006 bis zum 11. März 2007 teilweise in Höhe von 2243,50 Euro" aufhob. Unter Hinweis auf § 48 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) i. V. m. § 330 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) stellte die Beklagte fest, dass das Arbeitslosengeld nicht in der ursprünglich bewilligten Höhe habe gezahlt werden dürfen. Der überzahlte Betrag sei zu erstatten. Ferner erließ sie am selben Tag einen Änderungsbescheid. In diesem sind die täglichen Leistungsbeträge, die Berechnungsgrundlagen, die Anrechnungsbeträge und die auszuzahlenden Leistungen nach Zeitabschnitten, in der Regel nach Monaten, aufgelistet.

Der Klägerbevollmächtigte legte mit Schriftsatz vom 1. Juli 2011 Widerspruch ein. Er begründete diesen damit, dass die Klägerin kein Einkommen über e… erzielt habe. Sie leide an einem Kaufzwang. Sie tätige ständig bei e… Einkäufe für den eigenen Bedarf, das heißt für sich und ihre Kinder. Nur Gegenstände, die nicht passten, würden wieder verkauft. Die Klägerin müsse wegen der Zwangsstörung erhebliche Geldmengen aufbringen; teilweise leihe sie sich sogar Geld von Freunden und Bekannten. Durch den Verkauf komme es lediglich zu einer Vermögensumschichtung. Der Klägerbevollmächtigte legte mit Schriftsatz vom 10. November 2011 eine heilpädagogische Stellungnahme vor, die eine Diplom-Heilpädagogin am 27. ...

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