Verfahrensgang

ArbG Dresden (Urteil vom 12.03.1996; Aktenzeichen 11 Ca 7069/95)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 03.09.1998; Aktenzeichen 8 AZR 129/97)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 12.03.1996 – 11 Ca 7069/95 – abgeändert.

  1. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigungen des Beklagten mit Schreiben vom 11.09.1995 und vom 04.10.1995 nicht beendet worden ist.
  2. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Grundschullehrer bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens weiterzubeschäftigen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung sowie einer vorsorglichen ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen ihnen seitens des Beklagten, gestützt auf eine Tätigkeit des Klägers für das MfS und wahrheitswidrige Angaben hierzu.

Der am 24.05.1952 geborene Kläger, verheiratet, zwei Kinder, ist Lehrer mit einer Lehrbefähigung für die unteren Klassen. Er trat am 01.08.1972 in den staatlichen Schuldienst. Zuletzt wurde er als Lehrer an der 139. Grundschule in D. beschäftigt. Mit Änderungsvertrag vom 12.09.1991 (Bl. 7 d.A.) wurde eine Eingruppierung des Klägers in die Vergütungsgruppe IV b BAT-O festgestellt. Die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers beträgt gemäß Änderungsvertrag vom 23.06.1992 (Bl. 8 d.A.) 82,5 % eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers.

Mit Erklärung vom 01.03.1991 (Bl. 27 bis 29 d.A.) hatte der Kläger die Fragen nach einer Tätigkeit für das MfS verneint, ebenso in seinem Antrag auf Anerkennung von Beschäftigungszeiten vom 22.05.1992.

Durch den Einzelbericht des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes (im folgenden: BStU) vom 08.08.1995 (Bl. 30/31 d.A.) erfuhr der Beklagte, daß der Kläger am 31.05.1977 während seiner Armeezeit eine schriftliche Verpflichtung zur Unterstützung des MfS mit der Wahl eines Decknamens unterzeichnet hatte (Bl. 38 d.A.). Aus dem Einzelbericht geht hervor, daß der Kläger als IM bis zum 03.05.1979 erfaßt war, daß fünf Berichte des Führungsoffiziers über Treffen in einer konspirativen Wohnung vorliegen (Bl. 39 bis 41, 46 bis 51 d.A.) und daß die Akten drei handschriftliche, mit Decknamen unterzeichnete Berichte des Klägers enthalten (Bl. 42 bis 45 d.A.). In den handschriftlichen Berichten finden sich Zitate von Äußerungen anderer, namentlich genannter, Soldaten. Auf der Abschlußbeurteilung vom 03.05.1979 (Bl. 52/53 d.A.) findet sich ein handschriftlicher Vermerk eines Führungsoffiziers vom 15.05.1979 wie folgt: „IMS wird nicht übernommen, wegen unzureichender Arbeitsergebnisse, SED-Mitgliedschaft und der seit über einem Jahr fehlenden Verbindung.”

Der Kläger wurde zu diesen Erkenntnissen im Rahmen eines Personalgesprächs am 24.08.1995 im Oberschulamt D. gehört (Protokoll Bl. 54 bis 56 d.A.).

Mit Schreiben vom 31.08.1995 (Bl. 138/139 d.A.) teilte der Vizepräsident des Oberschulamtes D. dem Vorsitzenden des Bezirkspersonalrats GS/MS/FS mit, es sei beabsichtigt, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich, hilfsweise ordentlich zu kündigen. Der Bezirkspersonalrat erklärte am 04.09.1995, sich nicht zur außerordentlichen Kündigung äußern zu wollen. Hierauf kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 11.09.1995 (Bl. 3/4 d.A.), dem Kläger am 16.09.1995 zugegangen, außerordentlich wegen der Tätigkeit des Klägers für das MfS und dessen wahrheitswidrigen Angaben. Eine hilfsweise ordentliche Kündigung sprach der Beklagte mit Schreiben vom 04.10.1995 zum 30.06.1996 aus.

Mit am 19.09.1995 beim Arbeitsgericht eingegangener Klage wendet sich der Kläger gegen die außerordentliche Kündigung und erstreckt die Klage mit Antrag zu Protokoll am 20.10.1995 gegen die ordentliche Kündigung. Der Kläger hat ausgeführt, er hätte sich nicht mehr konkret daran erinnert, daß er eine Verpflichtungserklärung für das MfS unterzeichnet habe. Die Beziehung zu dem Führungsoffizier sei eine normale Dienstbeziehung im Rahmen seiner Aufgaben als VS-Schreiber gewesen. Es läge keine bewußte Falschangabe vor. Im übrigen sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden; zur ordentlichen Kündigung sei der Personalrat nicht gehört worden. Der Präsident des Oberschulamtes sei bei Einleitung der Beteiligung auch nicht verhindert gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 11.09.1995 aufgelöst worden ist,
  2. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung vom 04.10.1995 aufgelöst worden ist,
  3. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Grundschullehrer bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsrechtsstreits weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffas...

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