Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausbildungsvergütung. Ausbildungsverhältnis. Betriebsübergang. Widerspruch. Klageerhebung. Ausfall der Ausbildung. Nachzahlungsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

1) Der Widerspruch gegen den Übergang eines Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses im Falle Betriebsüberganges kann auch schlüssig erfolgen.

2) Möglich ist dies auch durch eine form- und fristwahrende Klageerhebung gegen den Betriebsverpächter, mit dem Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis zum Zeitpunkt des Überganges begründet war.

3) § 615 BGB findet auch i. R. eines Ausbildungsverhältnisses Anwendung, wenn die Ausbildung über einen Zeitraum von sechs Wochen hinaus entfällt. Die Beschränkung in § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a BBiG a. F. (= § 19 Abs. 1 Nr. 2 a BBiG n. F.) steht dem nicht entgegen.

 

Orientierungssatz

Ausbildungsverhältnis/Betriebsübergang/Widerspruch gegen den Übergang des Ausbildungsverhältnisses/Wahrung von Form und Frist hierfür durch Klageerhebung/Anwendbarkeit § 615 BGB in Ausbildungsverhältnis bei Ausfall der Ausbildung

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 1 S. 1, Abs. 5-6, § 615 S. 1; BBiG a.F. § 3 Abs. 2, § 10 Abs. 1 Sätze 1, 1 Nr. 2a

 

Verfahrensgang

ArbG Bautzen (Urteil vom 19.05.2004; Aktenzeichen 10 Ca 10101/04)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.07.2006; Aktenzeichen 8 AZR 382/05)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten zu 1. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 19. Mai 2004 – 10 Ca 10101/04 – wird auf Kosten der Beklagten zu 1.

zurückgewiesen.

Revision ist zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ausbildungsvergütung.

Zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. des Ersten Rechtszugs, die allein Berufung führt, ist ein Berufsausbildungsvertrag zur Ausbildung der Klägerin im Ausbildungsberuf Hotelfachfrau beginnend ab 01.08.2002 und endend am 31.07.2005 geschlossen worden.

Ausbildungsbetrieb war das …-Hotel in …

Dieses Hotel hat die Beklagte zu 2. des Ersten Rechtszugs (fortan: die … GmbH) mit Mietvertrag vom 30.09.2003 von der Beklagten zu 1. samt Personal übernommen. Darüber sind die Mitarbeiter in einer Mitarbeiterversammlung am 30.09.2003 informiert worden. Nach dieser Mitarbeiterversammlung hat der Hotelleiter … im Auftrag der Beklagten zu 1. das Hotel an die … GmbH übergeben. Sie erhielt von Herrn … die Schlüssel zum Hotel. Alle Geschäftsunterlagen befanden sich bereits im Hotel.

Ab dem Zeitpunkt der Übergabe sind alle das Hotel betreffenden Weisungen von Frau … als Vertreterin der … GmbH erteilt worden. Nach dem 30.09.2003 hat die Beklagte zu 1. keine Eingriffe in den Hotelbetrieb mehr vorgenommen. Ab dem 01.10.2003 hat die … GmbH sämtliche Umsätze des Hotels vereinnahmt mit Ausnahme der Kreditkartenabrechnungen, die bis zum 10.10.2003 noch auf das Konto der Beklagten zu 1. liefen.

Bis November 2003 hat die Klägerin die praktische Ausbildung in dem Hotel absolviert. Seit Dezember 2003 ist dieses jedoch geschlossen. Seither kann die Klägerin nur noch die theoretische Ausbildung wahrnehmen.

Seit Oktober 2003 hat die Klägerin keine Vergütung mehr erhalten.

Streitgegenstand sind (neben einem Zinsanspruch) die Ausbildungsvergütungen der Klägerin für die Monate Oktober bis Dezember 2003 sowie für Januar 2004 in Höhe von monatlich 306,78 EUR brutto, insgesamt mithin 1.227,12 EUR brutto. Strittig ist dabei nicht die Höhe, sondern der Grund der Forderung.

Der Klage vorangegangen ist am 10.02.2004 eine Verhandlung vor dem Schlichtungsausschuss der IHK …, die mit einem sog. Nichtspruch vom selben Tage endete. Am 11.02.2004 hat die Klägerin selbst durch die Rechtsantragstelle des Arbeitsgerichts Bautzen Klage gegen die Beklagte zu 1. und die … GmbH aufnehmen lassen. Klagezustellung erfolgte jeweils unter dem 14.02.2004. Zugestellt wird bei Aufnahme einer Klage durch die Rechtsantragstelle des Arbeitsgerichts Bautzen eine auch von dem Kläger selbst unterzeichnete Klageschrift.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass es nicht zu einem Übergang des Hotels auf die … GmbH gekommen sei, weswegen eine der Beklagten die Zahlung der Ausbildungsvergütung schulde.

Aufgrund der Unklarheiten darüber, bei wem das Hotel verblieben ist, hat sie beantragt,

die Beklagte zu 1. und die … GmbH als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 1.227,12 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.02.2004 zu bezahlen.

Die Beklagte zu 1. hat – ebenso wie die … GmbH –

Klageabweisung beantragt und sich darauf bezogen, aufgrund Betriebsüberganges seit 01.10.2003 nicht mehr Ausbilderin der Klägerin gewesen zu sein.

Das Arbeitsgericht hat die streitgegenständliche Forderung gegen die Beklagte zu 1. ausgeurteilt, die Klage gegen die … GmbH jedoch abgewiesen.

Nach der Auffassung des Arbeitsgerichts ist die Beklagte zu 1. Ausbilderin der Klägerin geblieben. Die Frage nach einem Betriebsübergang könne dahinstehen. Denn jedenfalls habe die Klägerin dem Übergang ihres Ausbildungsverhältnisses dadurch widersprochen, dass sie die Beklagte zu 1. auf Zahlung in Anspruch nimmt (und einen Betriebsübergang auf die … ...

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