Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsabgeltung nach Schwangerschaft und weiteren Elternzeiten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ist der Urlaub abzugelten, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht gewährt werden kann. Insoweit kommt es allein darauf an, in welchem Umfang im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch Urlaubsansprüche bestehen.

2. § 17 Satz 1 MuSchG stellt klar, dass durch mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbote bedingte Ausfallzeiten sich nicht nachteilig auf den Urlaubsanspruch der (werdenden) Mutter auswirken dürfen. Ebenso wenig hindert das Ruhen der beiderseitigen Hauptleistungspflichten während der Elternzeit, dass Urlaubsansprüche entstehen.

3. Gemäß § 17 Satz 2 MuSchG kann die Frau ihren Resturlaub nach Ablauf der Fristen im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr beanspruchen, wenn sie ihren Urlaub vor Beginn der Beschäftigungsverbote nicht oder nicht vollständig erhalten hat. Damit wird eine bezüglich der Erfüllung und des Verfalls des Urlaubs eigenständige und somit von § 7 Abs. 3 BUrlG abweichende Regelung des Urlaubsjahres getroffen.

4. Befindet sich die Arbeitnehmerin in Elternzeit und ist sie deshalb gehindert, Urlaub in Anspruch zu nehmen, führt dies gemäß § 17 Abs. 2 BEEG zu einer Übertragung des Urlaubsanspruchs. Hat die Arbeitnehmerin den ihr zustehenden Urlaub vor dem Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig erhalten, hat die Arbeitgeberin ihr gemäß § 17 Abs. 2 BEEG den Resturlaub nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr zu gewähren.

5. § 17 Abs. 2 BErzGG, der seinem Wortlaut nach § 17 Abs. 2 BEEG entspricht, ist dahin auszulegen, dass der Resturlaub weiter übertragen wird, wenn er nach dem Ende der ersten Elternzeit auf Grund einer weiteren Elternzeit nicht genommen werden kann. Das gilt auch für den Fall, dass zwischen beiden Elternzeiten ein Zeitraum von etwa zehn Monaten liegt.

6. Die Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG zur Kürzung des Erholungsurlaubs wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit ist im Hinblick auf die ersten drei Monate der Elternzeit unwirksam, im Hinblick auf eine über drei Monate hinausgehende Elternzeit dagegen wirksam, da die über drei Monate hinausgehende Elternzeit kein durch das Gemeinschaftsrecht gewährleisteter Urlaub ist.

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 3, § 11 Abs. 1 S. 1; MuSchG § 17 Sätze 1-2; BEEG § 17 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; BErzGG § 17 Abs. 2; ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2; ArbGG § 64 Abs. 6; EURL 18/2010 Anhang § 2; EGRL 88/2003 § 7 Abs. 1 Fassung: 2003-11-04; EGRL 104/1993 Art. 7 Abs. 1 Fassung: 1993-11-23

 

Verfahrensgang

ArbG Leipzig (Entscheidung vom 21.09.2016; Aktenzeichen 11 Ca 4675/15)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 24.01.2018; Aktenzeichen 9 AZR 200/17)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 21.09.2016 - 11 Ca 4675/15 - wird als unzulässig verworfen.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 21.09.2016 - 11 Ca 4675/15 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Zinsen erst ab dem 12.01.2016 zu zahlen sind.

3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 61 % und der Beklagte 39 % zu tragen.

4. Die Revision wird für den Beklagten zugelassen. Für die Klägerin wird die Revision nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Zahlung einer Urlaubsabgeltung.

Die Klägerin war ab dem 01.09.2002 bei dem Beklagten zu einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von 1.300,00 € in einer 5-Tage-Woche als Bürokauffrau beschäftigt. Arbeitsvertraglich vereinbarten die Parteien einen Jahresurlaub im Umfang 25 Arbeitstagen.

Im Jahr 2007 nahm die Klägerin keinen Urlaub in Anspruch. Am ...2008 brachte sie einen Sohn zur Welt. Nach Ablauf der Mutterschutzfrist nahm sie in der Zeit vom 02.03.2008 bis 04.01.2011 Elternzeit in Anspruch.

Mit Schreiben vom 05.01.2011 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 31.01.2011. Hiergegen erhob die Klägerin erfolgreich Kündigungsschutzklage (Urteile des Arbeitsgerichts Leipzig vom 03.08.2011 - 4 Ca 416/11 - und des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 23.02.2012 - 3 Sa 552/11 -).

Am ...2011 gebar die Klägerin ein weiteres Kind und nahm nach Ablauf der Mutterschutzfrist in der Zeit vom 11.11.2011 bis zum 14.09.2014 erneut Elternzeit in Anspruch. In der Zeit vom 13.10.2014 bis 01.01.2015 und vom 15.01. bis 29.03.2015 war die Klägerin arbeitsunfähig krank. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete mit Ablauf des 30.09.2015.

Im Jahr 2014 nahm die Klägerin keinen Urlaub in Anspruch, im Jahr 2015 in der Zeit vom 06. bis 24.07. Mit Schreiben vom 15.06.2015 (Anlage B 2 zum Schriftsatz des Beklagten vom 18.02.2016; Bl. 24 d. A.) erklärte der Beklagte gegenüber der Klägerin, er kürze ihren Erholungsurlaub um ein Zwölftel für jeden vollen Kalendermonat ihrer Elternzeit.

Mit ihrer vor dem Arbeitsgericht Leipzig erhobenen und dem Beklagten am 11.01.2016 zugestellten Klage hat die Klägerin u. a. die ...

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