Verfahrensgang

ArbG Leipzig (Urteil vom 16.07.1992; Aktenzeichen 9 A 3100/91 (39))

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 08.01.1998; Aktenzeichen 1 BvR 390/96)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des ArbG Leipzig vom 16.7.1992 – 9 A 3100/91 (39) – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zulässigkeit eines Fragebogens.

Die Klägerin ist Diplomlehrerin und steht im Schuldienst des Beklagten. Das im Dienste des Beklagten stehende pädagogische Personal wurde im März 1991 aufgefordert, einen Fragebogen zu beantworten. Die Klägerin hat die Fragen beantwortet. Die Auswertung der Fragen ist auf Grund eines in einem einstweiligen Verfügungsverfahren abgeschlossenen Vergleichs vom Ausgang des Rechtsstreits abhängig.

Der Fragebogen enthält folgende Fragen:

1.1.

Haben Sie jemals offiziell oder inoffiziell, hauptamtlich oder sonstwie für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit der ehemaligen DDR gearbeitet?

ja/nein

Wenn ja: In weicher Weise, wo und von wann bis wann? Aus welchen Gründen wurde die Tätigkeit beendet?

1.2.

Haben Sie gelegentlich oder unentgeltlich, über mittelbare Kontakte, im Wege einer Verpflichtung als Reisekader oder über Kontakte, zu denen Sie als Mitarbeiter örtlicher Staatsorgange verpflichtet waren, für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit der DDR gearbeitet?

ja/nein

Wenn ja: In welcher Weise, wo und von wann bis wann? Aus welchen Gründen wurden diese Kontakte beendet?

1.3.

Falls die Fragen 1.1. und 1.2. mit nein beantwortet werden; Haben Sie solche Kontakte gehabt, die zu Ihrer Anwerbung führen sollten, was Sie aber ablehnten?

ja/nein

Wenn ja: Wann und zu welcher Aufgabe sollten Sie verpflichtet werden?

2.

Hatten Sie vor dem 9. November 1989 Mandate oder Funktionen in oder für politische(n) Parteien oder Massenorganisationen (z. B. FDGB, FDJ, GST, DFD, DSF) der ehemaligen DDR inne? Hatten Sie in dieser Zeit sonst eine herausgehobene Stellung in der ehemaligen DDR inne?

ja/nein

Wenn ja: Welche Funktionen/Mandate/Stellung? Wann, wo?

3.

Waren Sie vor dem 9. November 1989 in einem Betrieb in der ehemaligen DDR oder für einen solchen außerhalb der ehemaligen DDR auf Leitungsebene tätig?

ja/nein

Wenn ja: In welchem Betrieb, welche Tätigkeit? Wo, wann?

4.

Waren Sie vor dem 9. November 1989 im beruflichen oder gesellschaftlichen Auftrag außerhalb des Gebietes der ehemaligen DDR tätig?

ja/nein

Wenn ja: In welcher Weise? Wann, wo?

5.

Haben Sie eine Ausbildung außerhalb des Gebietes der ehemaligen DDR absolviert?

ja/nein

Wenn ja: Welche, wann, wo?

6.

Haben Sie andere als allgemeinbildende bzw. berufsausbildende Ausbildungen durchlaufen (z. B. Parteischulen o. Ä.)?

ja/nein Wenn ja: Welche, wann, wo?

Die Klägerin hat am 17.4.1991 Klage erhoben und vorgebracht: Nachdem es im März 1991 beim Staatsministerium für Kultus noch keinen Hauptpersonalrat gegeben habe, hätten die an den Schulämtern gebildeten Kreispersonalräte angehört werden müssen. Das sei nicht geschehen. Die Klägerin könne jeden Verdacht auf eine Stasi-Vergangenheit auf Grund ihrer Integrität von sich weisen. Fragen nach einer Parteizugehörigkeit seien grundsätzlich unzulässig. Die Befragung hätte mit der Eignung eines Angestellten im Schuldienst nichts zu tun. Der Einigungsvertrag enthalte keine Rechtsgrundlage für eine solche Befragung.

Die Klägerin hat beantragt,

das beklagte Land wird verurteilt, jegliche Auswertung des von der Klägerin ausgefüllten, mit „Erklärung” überschriebenen Fragebogens betreffend geheimdienstlicher und politischer Aktivitäten in der ehemaligen DDR zu unterlassen und den Fragebogen einschließlich evtl. hieraus gewonnener Erkenntnisse zu vernichten sowie aus dem Nichtvorliegen des Fragebogens keine das Beschäftigungsverhältnis beendende oder verändernde Konsequenzen zu ziehen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgebracht, auf Grund der für Angestellte im öffentlichen Dienst geltenden Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung müsse er sich über die Eignung der Beschäftigten ein Bild machen können. Die Vorschriften des Einigungsvertrages zur Kündigung wegen Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit und wegen mangelnder persönlicher Eignung dienten dem Zweck einer Bereinigung des öffentlichen Dienstes von politisch hochbelasteten Personen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 16.7.1992 den Beklagten antragsgemäß verurteilt und den Streitwert auf 1.800,00 DM festgesetzt. Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung, auf die Bezug genommen wird, mit dem Erfordernis einer gesetzlichen oder vertraglichen Anspruchsgrundlage für die Befragung, an welcher es fehlen würde, begründet.

Gegen dieses dem Beklagten am 13.8.1992 zugestellte Urteil richtet sich die am 14.9.1992 (Montag) eingelegte und, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 16.11.1992 verlängert worden war, am 16.11.1992 begründete Berufung.

Der Beklagte bringt ...

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