Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtmäßigkeit eines Arbeitskampfs. Bahnstreik. Lokführergewerkschaft. Arbeitskampf. Streik im Personenverkehr. Streik im Nahverkehr. Streik im Güterverkehr. Streik im Fernverkehr

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Streik kann durch einstweilige Verfügung nur dann untersagt werden, wenn er offensichtlich rechtswidrig ist.

2. Die Tarifautonomie gewährleistet auch das Streikrecht einer Gewerkschaft. Dem steht das Prinzip der Tarifeinheit nicht entgegen.

3. Streiks der Lokführer im Nah-, Fern- und Güterverkehr sind nicht schon wegen ihrer erheblichen Auswirkungen auf Dritte unverhältnismäßig und daher unzulässig, solange eine Mindestversorgung, etwa aufgrund von Notdiensten, sichergestellt ist.

 

Normenkette

GG Art. 9 Abs. 3; ZPO §§ 935, 940

 

Verfahrensgang

ArbG Chemnitz (Urteil vom 05.10.2007; Aktenzeichen 7 Ga 26/07)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 05.10.2007 – 7 Ga 26/07 – abgeändert und die Verfügungsklage insgesamt

abgewiesen.

2. Die Berufung der Verfügungskläger gegen das vorgenannte Urteil wird

zurückgewiesen.

3. Die Verfügungskläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens darüber, ob der Verfügungsbeklagten zu untersagen ist, zum Zwecke des Abschlusses eines Tarifvertrages ihre Mitglieder und sonstige Arbeitnehmer zu Streiks aufzurufen und/oder Streiks durchzuführen.

In der Vergangenheit wurden innerhalb des DB-Konzerns durchweg jeweils inhaltsgleiche Tarifverträge zwischen der Arbeitgeberseite einerseits und den Gewerkschaften TRANSNET/GDBA und der GDL andererseits abgeschlossen. Diese wurden bislang einheitlich auf alle 134.000 Beschäftigten (inklusive Beamte) innerhalb ihres Geltungsbereiches angewandt.

Die Verfügungsbeklagte schloss zuletzt mit dem 51. Änderungstarifvertrag vom 10.03.2005 in der Entgeltrunde 2005 wiederum inhaltlich gleiche tarifliche Regelungen wie die TRANSNET und GDBA mit dem Agv MoVe ab. Darüber hinaus wurden tarifliche Regelungen zur Beschäftigungssicherung (BeSiTV), die nach Auslaufen des vorangegangenen Beschäftigungsbündnisses einen weitgehenden Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen bis zum 31.12.2010 für mindestens fünf Jahre beschäftigte Arbeitnehmer vorsahen, Regelungen zur Beteiligung der Arbeitnehmer am Unternehmenserfolg (Abschlussvereinbarung vom 28.02.2005, MaBetTV) sowie Regelungen zur Kürzung des Jahresurlaubes ohne Entgeltausgleich um einen Tag (Abschlussvereinbarung vom 28.02.2005, AZTV-S) vereinbart. Ziel dieser Maßnahmen war es, eine Reduzierung der Arbeitskosten um insgesamt 5,5 % zu erreichen Im DB-Konzern umfasst der Personalbestand des Fahrpersonals insgesamt 32.000 Mitarbeiter. Die geschätzten Angaben zum Organisationsgrad im Bereich des Fahrpersonals sowie die Angaben zur Mitgliedschaft bei den Gewerkschaften TRANSNET/GDBA sowie der Verfügungsbeklagten sind zwischen den Parteien im Einzelnen streitig.

Am 19.03.2007 übergab die Verfügungsbeklagte dem Agv MoVe den Entwurf eines FPTV und eines Einführungs- und Sicherungstarifvertrages für den FPTV (Einführungs-TV zum FPTV) und forderte ihn auf, in Tarifverhandlungen über diesen Entwurf einzutreten. Mit Schreiben vom 19.03.2007 kündigte die Verfügungsbeklagte verschiedene Tarifverträge zum 30.06.2007. Nicht gekündigt wurden der Beschäftigungssicherungsvertrag (BeSiTV), der Tarifvertrag über die Erfolgsbeteiligung für die Arbeitnehmer (MaBeTV) sowie der Tarifvertrag zur Sicherung und Anpassung von Entgeltdifferenzen (KonzernZÜTV).

Im Rahmen von Tarifverhandlungen schloss der Verfügungsbeklagte zu 3. mit der TG TRANSNET/GDBA am 09.07.2007 einen neuen Tarifvertrag ab für alle Arbeitnehmer, einschließlich des Fahrpersonals. Die Laufzeit beginnt am 01.07.2007 und endet am 31.01.2009. Er sieht eine Erhöhung des Monatstabellenentgeltes um 4,5 % zum Jahr 2008 sowie eine Erhöhung der Ergebnisbeteiligung 2007 um 600,00 EUR vor. In § 9 vereinbarten die Tarifvertragsschließenden unter der Überschrift „Konkurrenzklausel” eine Revisionsklausel, die von den Beteiligten unterschiedlich ausgelegt wird.

Zur Durchsetzung des FPTV rief die Verfügungsbeklagte erstmals am 02.07.2007 zu flächendeckenden Streiks im Personen- und Güterverkehr am 03.07.2007 zwischen 05:00 Uhr und 09:00 Uhr auf. Die für den 10.07.2007 angekündigten flächendeckenden Streiks wurden durch die Arbeitsgerichte Düsseldorf und Mainz mit unterschiedlichen Begründungen untersagt. Mit Schreiben vom 13.07.2007 erklärte der Bundesvorsitzende der Verfügungsbeklagten dem AgV MoVe gegenüber, dass das bisherige Forderungspaket nicht aufrechterhalten werde und sämtliche friedenspflichtrelevanten Themen und Bereiche aus dem Forderungspaket dieser Tarifrunde herausgehalten würden. Es werde nunmehr der Abschluss eines eigenständigen Tarifvertrages zur Regelung von Entgelt und Arbeitszeit für das Fahrpersonal gefordert. Bezüglich Entgelt und Arbeitszeit würden die bisherigen Forderungen aufrechterhalten. Im Rahmen ...

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