Entscheidungsstichwort (Thema)

Nach dem Wegfall von § 3 Nr. 66 EStG a. F. keine Rechtsgrundlage mehr für die Steuerfreistellung von Sanierungsgewinnen im Billigkeitsweg nach § 163 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

Da der Gesetzgeber die Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne nach § 3 Nr. 66 EStG a. F. für nach dem 31.12.1997 endende Wirtschaftsjahre abgeschafft hat, besteht seither nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung wegen des ausdrücklichen Willens des Gesetzgebers im Regelfall keine Rechtsgrundlage mehr für den von der Verwaltung und Rechtsprechung praktizierten Einkommensteuererlass auf Sanierungsgewinne wegen sachlicher Unbilligkeit auf Basis des BMF-Schreiben v. 27.3.2003 (IV A 6-S 2140-8/03, BStBl I 2003, 240).

 

Normenkette

AO § 163 S. 1; FGO § 102; EStG 1990 § 3 Nr. 66

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 28.11.2016; Aktenzeichen GrS 1/15)

BFH (Beschluss vom 25.03.2015; Aktenzeichen X R 23/13)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Dem Kläger werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf abweichende Festsetzung der Einkommensteuer hat, die zur Steuerfreiheit des Ertrags aus einem Schulderlass (Sanierungsgewinn) führt.

Der Kläger wurde 2007 mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Er betrieb in diesem Jahr einen Baufachhandel. Seinen Gewinn ermittelte er nach § 4 Abs. 1 EStG. Der Kläger wies folgende Gewinne/Verluste aus dem Gewerbebetrieb aus:

1999

58.721 DM

2000

40.720 DM

2001

382.264 DM

2002

-110.167 EUR

2003

-75.451 EUR

2004

-69.326 EUR

2005

-95.819 EUR

2006

-112.562 EUR

2007

598.522 EUR (einschließlich Sanierungsgewinn)

2008

-146.417 EUR

2009

-64.684 EUR

2008 legte der Kläger 46.000 EUR ein, 2009 77.980 EUR.

Nach einer Rückzahlungsvereinbarung mit der Sparkasse vom 23. Nov. 2005 hatte der Kläger zum 1. Okt. 2005 fällige Verbindlichkeiten gegenüber der Sparkasse von 729.297,62 EUR und gegenüber der KfW-Bankengruppe von 1.026.412,55 EUR (Bl. 20 Dauerunterlagen). In § 6 der – weiteren – Rückzahlungsvereinbarung mit der Sparkasse vom 23. Nov. 2005 (Bl. 29 Unterlagen) verzichten die Sparkasse und die KfW-Bankengruppe auf „die nicht bedienbaren Forderungen” i.H.v. 618.301,28 EUR für den Fall, dass der Kläger seinen Verpflichtungen aus der Vereinbarung ordnungsgemäß und termingerecht nachkommt. Mit Schreiben vom 12. Dez. 2007 teilte die Sparkasse dem Kläger mit, dass die Vergleichszahlung i.H.v. 35.000 EUR eingegangen sei und die KfW-Bankengruppe auf die Restforderung aus dem Darlehen Nr. 8962013437 verzichtet habe (Bl. 17 Dauerunterlagen). Die Ausbuchung sei mit Wertstellung 5. Nov. 2007 erfolgt.

Mit (geändertem) Bescheid vom 29. April 2010 (Bl. 19 Rb) setzte das FA die Einkommensteuer für 2007 auf 18.903 EUR und den Solidaritätszuschlag auf 836,38 EUR fest. Das FA legte dabei Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer i.H.v. 598.522 EUR zugrunde. Der zuletzt eingereichte Jahresabschluss für den Baufachhandel wies einen Überschuss von 598.522,86 EUR aus, in dem Erträge aus Forderungsverzichten von Banken i.H.v. 619.814,76 EUR enthalten waren (Bl. 22, 26 Bilanzakten). Den gegen die Steuerfestsetzung gerichteten Einspruch des Klägers wies das FA als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung vom 18. April 2012, Bl. 34 Rb). Klage wurde nicht erhoben.

Mit Schreiben vom 18. März 2009 beantragte der Kläger den Erlass der auf den Sanierungsgewinn entfallenden Einkommensteuer. Er legte ein Konsolidierungskonzept vom 14. Sept. 2009 (Bl. 7 Dauerunterlagen) vor, in dem es heißt, dass die laufenden Verpflichtungen „bisher durch Zuführung von privaten Geldeinlagen realisiert werden” konnten (Ziff. 1.2). In dem Konzept ist als Voraussetzung der Forderungsverzicht der Sparkasse und des FA genannt (Ziff. 5). Das FA lehnte den Antrag mit Verfügung vom 12. Juli 2010 ab. Den dagegen gerichteten Einspruch wies das FA zurück, da es die in dem BMF-Schreiben vom 27. März 2003 IV (A6-S 2140-8/03, BStBl I 2003, 240) aufgestellten Voraussetzungen, insbesondere die Sanierungseignung des Verzichts der KfW-Bankengruppe, als nicht gegeben ansah (Einspruchsentscheidung vom 18. April 2012, Bl. 111 Rb.).

Am 22. März 2012 gründeten der Kläger und zwei weitere Personen die B GmbH (Gesellschaftsvertrag Bl. 33 GA 1 K 759/12). Der Kläger verpflichtete sich, von dem Stammkapital von 25.000 EUR 10.000 EUR in bar zu leisten. Die GmbH soll das Einzelunternehmen des Klägers fortführen. Nach einer Vergleichsvereinbarung mit der Sparkasse vom 4. Mai 2012 (Bl. 17 GA) bestanden zum 24. April 2012 fällige Forderungen der Sparkasse bzw. der KfW-Mittelstandsbank i.H.v. 1.251.074,09 EUR. Gegen Zahlungen von 210.000 EUR und 111.859,36 EUR verzichtet die Sparkasse auf die übersteigende Restforderung.

Der Kläger behauptet, die beiden Rückzahlungsvereinbarungen mit der Sparkasse vom 23. Nov. 2005 seien der Beginn einer Sanierung, die sich bis 2012 erstreckt habe. Die Voraussetzungen für einen Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen, wie ...

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