rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen bei Vorsteuerberichtigung aufgrund der Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen im Insolvenzverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen bestimmt sich danach, ob der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand nach den steuerrechtlichen Vorschriften bereits vor oder erst nach Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist; nicht maßgeblich ist der Zeitpunkt der Steuerentstehung nach § 13 UStG.

2. Liegen die Voraussetzungen für eine Berichtigung i. S. v. § 17 UStG vor, führt dies nicht zu einer rückwirkenden Änderung der ursprünglichen Steuerfestsetzung. Auch der enge Zusammenhang zwischen der durch die Berichtigung ausgelösten und der ursprünglich begründeten Steuerforderung führt nicht dazu, dass der Entstehenszeitpunkt der gem. § 17 UStG berichtigten Forderungen zurückverlagert wird.

3. Welche Anforderungen an die Verwirklichung des Tatbestands des § 17 Abs. 2 UStG zu stellen sind, bestimmt sich nach dem Steuerrecht und nicht nach dem Insolvenzrecht.

 

Normenkette

UStG § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 S. 2, § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 13; InsO §§ 38, 55 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.03.2017; Aktenzeichen XI R 5/16)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine aus einer – aufgrund der Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen im Insolvenzverfahren notwendige – Vorsteuerberichtigung resultierende Umsatzsteuerschuld, zu einer Insolvenzverbindlichkeit oder zu einer Masseverbindlichkeit führt.

Das Amtsgericht …. eröffnete mit Beschluss vom … das Insolvenzverfahren über das Vermögen von Herrn Y und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Herr Y hatte gewerbliche Einkünfte erzielt und seine Umsätze nach den vereinbarten Entgelten versteuert. Er hatte vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Zahlungen an seine Gläubiger geleistet und hierfür Vorsteuer geltend gemacht. Der Kläger focht derartige Zahlungen gemäß § 129 InsO an, worauf die Gläubiger im Jahr 2013 Rückzahlungen leisteten und der Kläger die Vorsteuer korrigierte. Er gab dazu – unter der der Insolvenzmasse zugeordneten Steuernummer – am …2014 die Umsatzsteuererklärung für 2013 ab, in der er nach § 17 Abs. 1 Satz 6 UStG geschuldete Steuerbeträge in Höhe von EUR … erklärte, so dass sich eine entsprechende Umsatzsteuerschuld der Insolvenzmasse ergab, welche der Kläger am …2014 unter Vorbehalt an den Beklagten zahlte. Am …2014 berichtigte er diese Umsatzsteuererklärung und errechnete eine Umsatzsteuerschuld von EUR 0.

Der Beklagte lehnte den Antrag auf Berichtigung der Umsatzsteuerfestsetzung vom … 2014 mit Bescheid vom …2014 ab. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom …2015 als unbegründet zurückwies.

Der Kläger trägt vor, die Vorsteuerberichtigungsansprüche seien Insolvenzforderungen. Bereits die Anfechtbarkeit einer Zahlung begründe den Rückgewähranspruch, so dass der Rechtsgrund für den Steueranspruch vor der Verfahrenseröffnung gelegt sei. Auf die steuerliche Entstehung der Forderungen komme es nicht an. Die infolge der Anfechtung wiederauflebende Forderung des Anfechtungsgegners sei gleichfalls eine Insolvenzforderung, die damit im Zusammenhang stehenden Steuerforderungen teilten das Schicksal dieser Forderung. Andernfalls würden die abgeschafften Vorrechte für den Fiskus wieder eingeführt. § 55 Abs. 4 InsO gelte erst für Insolvenzverfahren, deren Eröffnung ab 1. Januar 2011 beantragt wurde. Da die Insolvenzmasse den Vorsteuerabzug nicht in Anspruch genommen habe, sei sie nicht zur Korrektur verpflichtet. Eine Verrechnung von umsatzsteuerrechtlichen Berechtigungen und Verpflichtungen zwischen Insolvenzmasse und vorinsolvenzlichem Unternehmensteil sei nicht statthaft. Der Zeitpunkt der Verwirklichung des § 17 UStG sei dem vorinsolvenzlichen Bereich zuzuordnen.

Die Anfechtungsansprüche entstünden zeitgleich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, eine gesonderte Anfechtungserklärung des Insolvenzverwalters sei nicht erforderlich.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom …2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom …2015 zu verpflichten, dem Antrag des Klägers vom …2014 auf Berichtigung der Umsatzsteuerfestsetzung für 2013 zuzustimmen und die Umsatzsteuer auf EUR 0 festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, die Berichtigung der Vorsteuer wegen Uneinbringlichkeit habe in der Insolvenzmasse zu erfolgen. Es handele sich um eine Masseverbindlichkeit, maßgeblich für die Zuordnung sei der Zeitpunkt, in dem der Tatbestand des § 17 UStG verwirklicht werde, nicht derjenige, in dem die zu berichtigende Steuerforderung begründet worden war. Es komme auf den Zeitpunkt der Rückgewähr des Entgelts durch die Gl...

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