Leitsatz (amtlich)

1. Selbst wenn die Verwertung eines strafgerichtlichen Urteils durch den Zivilrichter im Wege des Urkundenbeweises zulässig ist und dies im Einzelfall dazu führen kann, dass der im Strafurteil festgestellte Sachverhalt auch im Zivilverfahren zugrunde zu legen ist, entbindet dies den Zivilrichter nicht von einer eigenständigen Beweiswürdigung und einer eigenständigen rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhalts in straf- und zivilrechtlicher Hinsicht.

2. Sind die für eine austenorierte Sachentscheidung gegebenen Gründe sachlich inhaltslos oder beschränken sie sich auf leere Redensarten oder einfach auf die Wiedergabe des Gesetzestextes, dann fehlen ausreichende Entscheidungsgründe.

3. Fehlen die vorgeschriebenen Entscheidungsgründe oder weisen sie solche Lücken auf, dass die rechtlichen Erwägungen des Gerichts nicht nachvollzogen werden können, dann ist das Urteil mit einem wesentlichen Verfahrensfehler behaftet, der die Berufung nach § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO begründet.

4. Da die in einem Strafurteil enthaltenen Feststellungen für das Zivilgericht nicht bindend sind und der Tatrichter sich seine Überzeugung von der Wahrheit einer Tatsachenbehauptung selbst zu bilden hat, rechtfertigt es der Umstand, dass die Akten eines anderen Rechtsstreits und damit auch ein Strafurteil als Beweisurkunde herangezogen werden können, nicht, die zum Beweis des Gegenteils angebotenen Beweise nicht zu erheben, denn dadurch würde der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verletzt.

5. Verlangt eine Partei, dass die von ihr benannten Zeugen vernommen werden und wird dies unter Hinweis auf deren Aussagen im Strafprozess oder auf die Feststellungen im Strafurteil abgelehnt, dann stellt sich diese unterlassene Beweiserhebung, die im Prozessrecht keine Stütze findet, als Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG und zugleich als wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne von § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO dar.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Aktenzeichen 15 O 352/15)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 7.6.2018 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken (Aktenzeichen 15 O 352/15) einschließlich des zu Grunde liegenden Verfahrens aufgehoben und die Sache an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens vorbehalten bleibt. Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben.

II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Im vorliegenden Rechtsstreit, der aus dem zuvor beim Arbeitsgericht Saarlouis unter dem Aktenzeichen 2 Ca 704/12 geführten Klageverfahren abgetrennt worden ist, nimmt die Klägerin - eine Tochtergesellschaft der ... pp. Company - die Beklagten als Gesamtschuldner wegen behaupteter betrügerischer Abrechnungsvorgänge durch Berechnung in Wirklichkeit nicht erbrachter Leistungen im Zusammenhang mit verschiedenen Werkverträgen über Instandsetzungsarbeiten im Werk der Klägerin in Saarlouis auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. Der Beklagte zu 1 ist ehemaliger Geschäftsführer der Beklagten zu 2 und nunmehr deren Liquidator.

Bei der Klägerin bestehen - je nach konkreter Konstellation - verschiedene komplexe Verfahren zur Auslösung von Bestellungen bzw. zum Bezug von Waren und Dienstleistungen. Sie hat verschiedene Rahmenverträge abgeschlossen, um u.a. den Arbeitsaufwand bei wiederholten Bestellungen zu minimieren, die Anzahl der zu betreuenden Lieferanten einzuschränken und eine bessere Kostenkontrolle zu ermöglichen. Für die bei der Klägerin regelmäßig anfallenden Wartungs-, Instandhaltungs-, Umbau- und Reparaturmaßnahmen hat sie einen Rahmenvertrag mit einem sogenannten Facility Manager abgeschlossen. Regelmäßig wiederkehrende Reparatur-, Umbau- und Wartungsarbeiten werden in diesem Rahmenvertrag mit dem Facility Manager definiert und kategorisiert. Zu jeder im Rahmenvertrag aufgeführten Werkleistung wird ein bestimmter Preis festgelegt. Die Klägerin beauftragt den Facility Manager mit der Erbringung bestimmter im Rahmenvertrag definierter Leistungen. Der Facility Manager erhält dafür das im Rahmenvertrag vereinbarte Entgelt. Die Aufgabe des Facility Managers besteht unter anderem darin, die Durchführung der von der Klägerin gewünschten Leistungen zu organisieren und sicherzustellen. Mit der Erbringung der jeweiligen Leistung beauftragt der Facility Manager in der Regel andere Unternehmen als Subunternehmer. Facility Manager in Bezug auf die im Streit stehenden Leistungsund Abrechnungsvorgänge war zunächst die ... pp. Management GmbH (im Folgenden: ... pp.) und im zeitlichen Anschluss daran die ... pp. Management AG (im Folgenden: ... pp.). Zu den von dem Facility Manager beauftragten Subunternehmen, die dann Werkleistungen für die Klägerin erbracht haben, gehörte insbesondere auch die Beklagte zu 2.

Der Beklagte zu 1 wurde am 13.9.2012 von der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Saarbrücken in dem Berufungsverfahren mit dem Aktenzeichen ...

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