Leitsatz (amtlich)

Ein den Rechtsschutzversicherungsfall auslösender Verstoß gegen Rechtspflichten liegt schon dann vor, wenn der Arbeitgeber mit dem Angebot eines Aufhebungsvertrages an seinen Arbeitnehmer zum Ausdruck bringt, das Vertragsverhältnis in jedem Fall beenden zu wollen.

 

Normenkette

ARB 94 §§ 2b, 4 Abs. 1 lit. c, § 21 Abs. 1, 3

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 25.11.2005; Aktenzeichen 12 O 30/05)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 25.11.2005 verkündete Urteil des LG Saarbrücken, Az. 12 O 30/05, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.161,56 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.2.2005 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 6.161,56 EUR festgesetzt.

5. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt als Mitversicherter Versicherungsschutz aus einer von seiner Ehefrau mit Wirkung zum 20.6.2003 für die Dauer von 5 Jahren bei der Beklagten unter Einschluss der Allgemeinen Versicherungsbedingungen abgeschlossenen Rechtsschutzversicherung, die auch Arbeits-Rechtsschutz umfasst (§§ 2b, 21 Abs. 1,3 ARB 94) und eine Selbstbeteiligung i.H.v. 150 EUR je Rechtschutzfall vorsieht. Gemäß § 4 Abs. 1 lit. c) ARB besteht ein Anspruch auf Rechtsschutz (in allen anderen Fällen) von dem Zeitpunkt an, in dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll (Bl. 14 d.A.).

Der Kläger verlangt die Erstattung von Anwaltskosten für die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten aus Anlass einer von seiner Arbeitgeberin angestrengten Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Im August 2004 wurde dem Kläger, dessen Arbeitsvertrag mit der Fa. C. GmbH, München, im Rahmen des Betriebsübergangs auf die Fa. R. übergegangen war, von der Geschäftsleitung eröffnet, dass seine Stelle als Vertriebsleiter (Parfum) zum 1.2.2005 ersatzlos gestrichen und von anderen Direktoren übernommen werde; zugleich wurde ihm ein erster Entwurf eines Aufhebungsvertrages vorgelegt (Bl. 69 ff. d.A.), den der Kläger nicht unterzeichnete. Nach Einschaltung seiner Prozessbevollmächtigten kam es zu Verhandlungen mit der Arbeitgeberin des Klägers, die am 24.8.2004 zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages führten. In der Präambel des Aufhebungsvertrages wurde darauf hingewiesen, dass die Arbeitgeberin des Klägers aus betriebsbedingten Gründen zum Personalabbau gezwungen sei und in diesem Zusammenhang auch die Stelle des Klägers wegfalle; ferner wies der Aufhebungsvertrag zahlreiche Änderungen ggü. dem Entwurf auf (Bl. 44 ff. d.A.).

Der Kläger hat im Wesentlichen geltend gemacht, dass seine Arbeitgeberin ihn bei der Vorlage des Vertragsentwurfs zur Vertragsunterzeichnung gedrängt und erklärt habe, dass unabhängig von einer Vertragsunterzeichnung das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall zum 31.1.2005 beendet werde, dass der Betriebsrat gehört und nach Abschluss des Anhörungsverfahrens die Kündigung ausgesprochen werde. Bei dieser Sachlage seien die Voraussetzungen für die Gewährung von Versicherungsschutz erfüllt.

Die Beklagte hat demgegenüber eingewandt, dass allein das Angebot auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages, aber auch die Androhung einer betriebsbedingten Kündigung den Versicherungsfall nicht ausgelöst habe. Im Übrigen seien in den Aufhebungsvertrag Positionen eingeflossen, die nicht im Streit gewesen seien und habe ein Verhandlungsspielraum bestanden, so dass es auch aus diesem Grund an einem Rechtsschutzfall fehle. Auch werde der Umfang der in Rede stehenden anwaltlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers bestritten.

Das LG hat die Klage abgewiesen und hierzu ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1c ARB deshalb nicht vorlägen, weil der Arbeitgeberin des Klägers ein Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften nicht vorzuwerfen sei.

Allein das Bestreben, einen Vertrag zu beenden, sei nicht als Verstoß gegen eine rechtlich gebotene Verhaltensregel zu werten; vielmehr sehe das Gesetz grundsätzlich die Möglichkeit vor, alle rechtlichen Bindungen legal zu beenden, wie z.B. durch Kündigung oder Rücktritt. Dass die Arbeitgeberin des Klägers hierbei die Grenzen des Erlaubten überschritten habe, sei nicht ersichtlich. Der Hinweis auf eine betriebsbedingte Kündigung genüge - im Gegensatz zu einer verhaltensbedingten Kündigung - insoweit nicht. Im Übrigen sei in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass die Inanspruchnahme von anwaltlichem Beistand für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages eines Arbeitsverhältnisses nicht unter den Bereich der Rechtschutzversicherung falle. Dem sei zuzustimmen, weil die vereinbarten Versicherungsbedingungen nicht auf...

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