Leitsatz (amtlich)

1. Es handelt sich um eine verfahrensfehlerhafte Überraschungsentscheidung, wenn das Gericht auf der Grundlage des Parteivorbringens zunächst Beweis erhebt, sodann aber das Vorbringen – ohne Hinweis nach § 139 ZPO – unsubstantiiert unberücksichtigt lässt.

2. Regelmäßig macht sich eine Partei ihr günstige Ergebnisse der Beweisaufnahme zu Eigen.

3. Zur Geltendmachung von Gewährleistungsrechten genügt es, wenn der Besteller den nach außen tretenden Mangel der Werkleistung bezeichnet, ohne dass die Ursache des Mangels angegeben werden muss.

 

Normenkette

ZPO §§ 139, 538; BGB § 633 a.F., § 634 a.F., § 645 a.F.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Aktenzeichen 1 O 148/02)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 31.1.2003 verkündete Urteil des LG in Saarbrücken – 1 O 148/02 – einschl. des ihm zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben und die Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens vorbehalten bleibt.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

3. Der Wert der durch diese Entscheidung begründeten Beschwer der Parteien und der Streitwert des Berufungsverfahrens werden auf jeweils 9.637,85 Euro festgesetzt.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin befasst sich mit der Produktion, Installation, Wartung und dem Verkauf von Aufzügen. Der Beklagte, der an dem Bauvorhaben Wintersport-, Natur- und Umweltbildungsstätte E. beteiligt war, erteilte der Klägerin als Subunternehmer den Auftrag, das Gebäude mit einem Behinderten-Treppenschrägaufzug auszustatten. Auf der Grundlage eines Angebots der Klägerin vom 27.8.1997 (Bl. 55 ff. d.A.) vereinbarten die Parteien für die Lieferung und Montage des Aufzuges einen Gesamtpreis i.H.v. 37.375 DM. Zur Zahlungsweise trafen die Parteien folgende Regelung (Bl. 61 d.A.): „50 % bei Auftragserteilung, 45 % bei Fertigstellung, 5 % Sicherheitseinbehalt bis zur TÜV-Abnahme bzw. 30 Tage nach Fertigstellung.” Nach Abschluss der Arbeiten erteilte die Klägerin dem Beklagten am 30.11.1998 eine Schlussrechnung, in der die nach Vertragsschluss von dem Beklagten geleistete Anzahlung i.H.v. 50 % des Werklohns berücksichtigt war.

Am 8.12.1998 fand eine TÜV-Abnahme statt. Ausweislich der Bescheinigung vom 21.1.1999 wurde festgestellt, dass die Aufzugsanlage den Anforderungen der Aufzugsverordnung mit Ausnahme folgender Mängel entspricht (Bl. 34 d.A.):

„1. An den Hauptzugangsstellen ist ein Hinweisschild mit folgendem Text anzubringen:

„Nach Beendigung jeder Fahrt ist die Plattform zusammenzuklappen und in die Parkhaltestelle zu fahren.”

2. Es müssen noch Aufzugswärter eingewiesen und geprüft werden.

3. Zur Zeit der Prüfung erfolgte der elektrische Anschluss über ein Bauprovisiorium.”

Mit vorliegender Klage nimmt die Klägerin den Beklagten auf Zahlung noch ausstehenden Restwerklohns in Anspruch.

Die Klägerin hat vorgetragen, der von ihr eingebaute Treppenschrägaufzug weise keine Mängel auf. Auch sei der Aufzug von dem TÜV als ordnungsgemäß abgenommen worden.

Die Klägerin hat beantragt (Bl. 7, 64, 104 d.A.), den Beklagten zu verurteilen, an sie 9.637,85 Euro nebst 5 % Zinsen hieraus seit dem 31.12.1998 sowie 40,90 Euro für vorgerichtliche Mahnauslagen zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt (Bl. 23, 64, 104 d.A.), die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen, der Fahrstuhl könne von der Gemeinde bis heute nicht benutzt werden, weil er nicht funktioniere. Bislang sei der Fahrstuhl nur zu Probezwecken in Betrieb genommen worden. Ferner fehlten vom TÜV geforderte Hinweisschilder.

Durch das angefochtene Urteil (Bl. 110–116 d.A.), auf dessen Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen wird, hat das LG der Klage stattgegeben. Die Werklohnforderung sei fällig. Soweit sich der Beklagte darauf berufe, der Aufzug sei nicht betriebsfähig, sei der Vortrag unsubstantiiert und nicht zu berücksichtigen. Gegen das am 18.2.2003 zugestellte (Bl. 117 d.A.) Urteil richtet sich die am 18.3.2003 eingelegte (Bl. 119 f. d.A.) und am 14.4.2003 begründete (Bl. 125 d.A.) Berufung des Beklagten.

Der Beklagte trägt vor, das LG habe ein unzulässiges Überraschungsurteil getroffen, soweit es die Substantiierung seines Vorbringens beanstandet habe. Vielmehr sei das LG gehalten gewesen, nach § 139 ZPO einen Hinweis zu erteilen.

Der Beklagte beantragt (Bl. 149, 125 d.A.), unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, sowie hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt (Bl. 149, 136 d.A.), die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

 

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte sowie ordnungsgemäß begründete Berufung des Beklagten ist zulässig und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung an das LG (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

I. Aufgrund der Neufassung des § 538 Abs. 2 HS 2 ZPO ist das Berufungsgericht im Untersc...

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