Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Entscheidung vom 10.07.2017; Aktenzeichen 12 Ns 54/17)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 12. Kleine Strafkammer - vom 10. Juli 2017

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Störung der Religionsausübung in Tateinheit mit Hausfriedensbruch schuldig ist,

b) im Rechtsfolgenausspruch mit den diesem zugrunde liegenden Feststellungen

a u f g e h o b e n .

2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil wird auf seine Kosten als unbegründet v e r w o r f e n .

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der von der Staatsanwaltschaft eingelegten Revision, an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts Saarbrücken

z u r ü c k v e r w i e s e n.

Von Rechts wegen

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Saarbrücken hatte den Angeklagten durch Urteil vom 17. Januar 2017 wegen Hausfriedensbruchs in Tateinheit mit Störung der Religionsausübung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 10,-- € verurteilt.

Dieses Urteil hat das Landgericht Saarbrücken - 12. Kleine Strafkammer - mit Urteil vom 10. Juli 2017 auf die Berufung des Angeklagten aufgehoben, den Angeklagten wegen Hausfriedensbruchs schuldig gesprochen, ihn deshalb verwarnt und die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10,-- € vorbehalten.

Nach den in dem Urteil des Landgerichts getroffenen Feststellungen plante der Angeklagte, der derzeit an der Hochschule der Bildenden Künste Saar nach vorangegangenem dortigem Studium (Fachrichtung "Freie Kunst") den Masterstudiengang absolviert, Ende des Jahres 2015 im Rahmen seiner künstlerischen Tätigkeit eine Videoinstallation mit dem Titel "pressure to perform", um seine kritische Haltung gegenüber dem Druck der Leistungsgesellschaft, der nach seiner Ansicht nichts mehr heilig ist, zum Ausdruck zu bringen und um dem Betrachter vor Augen zu führen, wie sich Menschen unnatürlich in Situationen verhalten, in denen sie viel Druck von außen verspüren. Zur Umsetzung beabsichtigte er, auf einem Kirchenaltar zahlreiche Liegestützen bis zu seiner körperlichen Erschöpfung durchzuführen, dies mit seiner Videokamera aufzuzeichnen und den Videofilm später auf Bildschirmgeräten öffentlich vorzuführen. Dabei kam es dem Angeklagten darauf an, nicht etwa einen Nachbau, sondern den Altar einer geweihten Kirche zu benutzen, um seinem Werk dadurch einen besonderen Charakter zu verleihen und auch - wie sonst bei der Erstellung seiner Kunstwerke - die Produktionskosten zu minimieren.

Nachdem ihm zwei von ihm zunächst aufgesuchte Kirchen zur Durchführung dieses Vorhabens nicht geeignet erschienen waren, begab sich der Angeklagte zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt zwischen dem 1.1.2016 und dem 10.1.2016 mit seiner Videokamera in die geweihte katholische Basilika St. Johann in Saarbrücken, um auf dem dortigen Altar die Liegestützen durchzuführen. Mit Vertretern der katholischen Kirchengemeinde St. Johann, in deren Eigentum die Basilika steht, hatte er wegen seines Vorhabens zuvor keine Rücksprache gehalten, weil er davon ausging, ihm würde die Benutzung des Altars untersagt werden. Die Kirche war zu dieser Zeit durch die unverschlossenen Eingangstüren frei zugänglich. Ein Gottesdienst oder eine sonstige religiöse Feier fand nicht statt und es befanden sich nur einige wenige Besucher im Inneren der Kirche. Der sich in der Apsis befindende Altarraum war von dem unbeschränkt zugänglichen Hauptschiff der Kirche, in dem sich auch die Besucherbänke befanden, durch eine ca. 70 cm hohe, bogenförmig verlaufende Balustrade abgetrennt, in deren Mitte sich ein ca. 1 m breiter Durchgang befand. Dieser Durchgang war mit einer roten Kordel, welche knapp unter der Oberkante der Balustrade angebracht war, abgesperrt. Der Angeklagte, der mit einem karierten Hemd, einer dunklen langen Hose und geschlossenen Schuhen bekleidet war, installierte im Hauptschiff gegenüber dem Altarraum seine Videokamera in Richtung des Altarbereichs so, dass ab der im Vordergrund befindlichen Balustrade der Altarraum zentral ins Bild gesetzt war, und aktivierte die Aufnahmefunktion der Kamera. Sodann überstieg er die rote Kordel, von der er wusste, dass sie den Altarraum für sämtliche Besucher absperren sollte, wovon er sich zur Schaffung der geplanten Videoinstallation aber nicht weiter abhalten lassen wollte. Er nahm vielmehr für sich das Freiheitsrecht als Künstler in Anspruch, auch wenn er es für möglich hielt, dass ihm auch dies das Betreten des Altarraums nicht gestatten würde. Er ging ruhigen Schrittes durch den Altarraum, kletterte von hinten auf den Altar und begab sich auf diesem in Liegestützhaltung. Sodann vollzog er in rascher Folge 26 Liegestützen und legte sich im Anschluss daran für wenige Sekunden mit in den Armen versenktem Kopf flach auf den Altar, um sich von der Anstrengung zu erholen. Anschließend stieg er von dem Altar hinunter, strich noch eine dort liegende Decke gla...

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