Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Arglistanfechtung bei einem BU-Versicherungsvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

Verschweigt eine Versicherungsnehmerin vor Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung eine mehrwöchige Arbeitsunfähigkeit wegen "Erschöpfung", die nicht ärztlich behandelt wurde, so spricht gegen eine arglistige Täuschung, wenn Grundlage der "Krankschreibung" eine Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber war, die Versicherungsnehmerin nach dem Wechsel der Arbeitsstelle keinerlei Ausfallzeiten mehr hatte und die Versicherungsnehmerin aus ihrer Sicht schwerwiegende Erkrankungen offenbart hatte.

 

Normenkette

VVG § § 16 ff., § 22

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 26.11.2003; Aktenzeichen 12 O 154/03)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Saarbrücken vom 26.11.2003 (Az.: 12 O 154/03) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für die Gebührenberechnung im Berufungsverfahren wird festgesetzt auf 17.179,34 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ein bei der Beklagten bestehender Vertrag über eine Berufsunfähigkeitsversicherung nicht durch Anfechtung wegen arglistiger Täuschung beendet wurde.

Die Klägerin trat im Februar 2000 an den Finanzdienstleister S.E. mit dem Wunsch heran, eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen. Eine Mitarbeiterin dieses Finanzdienstleisters, die Zeugin W., erschien daraufhin bei der Klägerin und füllte mit dieser gemeinsam einen "Kurzantrag auf eine Berufsunfähigkeitsversicherung" (Bl. 8) aus. In diesem Kurzantrag war eine "Erklärung der zu versichernden Person" enthalten, die u.a. folgende Frage enthielt:

"Haben in den letzten fünf Jahren Untersuchungen, Beratungen oder Behandlungen durch Ärzte stattgefunden oder leiden bzw. litten Sie an Gesundheitsstörungen, körperlichen oder geistigen Schäden, chronischen Leiden oder Unfallfolgen?"

Die Klägerin beantwortete diese Frage mit "Ja" und konkretisierte sie dahin gehend, dass sie angab:

"HNO: Dr. B., Ohrentzündung.

Chirurg: Dr. H., - Fisteloperation.

ohne Folgen. Beschwerdefrei.

11/99 Röntgenuntersuchung Dr. T., ohne Befund, kein Leiden."

Die Klägerin gab - jedenfalls in diesem Formular - nicht an, dass sie im Jahr 1998 für mehrere Wochen wegen physischen bzw. psychischen Erschöpfungszuständen arbeitsunfähig "geschrieben" war.

Am 10.6.2000 wurde der Versicherungsschein für die beantragte Berufsunfähigkeits-Versicherung unter der Versicherungsnummer policiert (Bl. 12). Dem Versicherungsschein lagen die Tariferläuterungen und die Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Versicherung (Bl. 15 ff.) zugrunde.

Die Klägerin bemerkte nach eigenen Angaben bei sich am 1.8.2000 einen Knoten in der Brust, der am 10.8.2000 als Mammakarzinom diagnostiziert und in der Folge behandelt wurde. Am 8.11.2000 beantragte sie daraufhin Berufsunfähigkeitsrente. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Schreiben vom 14.11.2000 (Bl. 31) ab und erklärte in gleichem Schreiben die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Sie hat - unwidersprochen - vorgetragen, bei Kenntnis der Vorerkrankung den Versicherungsvertrag nicht angenommen oder aber 2 Jahre zurückgestellt zu haben.

Die Klägerin hat behauptet, bereits vor Abschluss dieses Vertrages habe eine Berufsunfähigkeitsversicherung bestanden, und zwar bei der I. Auf Veranlassung der Zeugin W. habe sie diese gekündigt. Sie hat vorgetragen, die Erschöpfungszustände ggü. Frau W. angegeben zu haben, welche daraufhin wörtlich ausgeführt habe:

"Ach, das brauchen wir nicht, wenn die noch was wissen möchten, werden sie sich schon melden. Die werden sich sowieso mit der bestehenden Vorversicherung bei der I. zusammensetzen und die dortigen Erkenntnisse verwerten."

Die Klägerin hat einen Täuschungsvorsatz in Abrede gestellt und dazu ausgeführt, der ihr vorgelegte "Kurzantrag" habe bei ihr nicht den Eindruck eines verbindlichen Versicherungsantrages, sondern den eines Werbeprospektes erweckt. Die dürftigen Gesundheitsfragen hätten den Anschein erweckt, dass sie nicht zur endgültigen Entschließungsbildung dienen sollten.

Das LG hat der Klage stattgegeben, da keine Arglist vorliege. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Die Beklagte trägt vor, die Angaben der Klägerin zu den harmlosen Vorerkrankungen ließen im Zusammenhang mit dem Verschweigen einer mehr als 6-wöchigen Krankschreibung, eines darauf zurückgehenden Berufs- und Tätigkeitswechsels und der Behandlungsbedürftigkeit der verschwiegenen Erkrankung den Rückschluss auf Arglist zu.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des LG Saarbrücken vom 26.11.2003, Az.: 12 O 154/03, abzuändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

II. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Der Berufsunfähigkeitsversicherungsvertr...

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