Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindschaftssache: Anforderung an die Annahme einer Zustimmung eines Elternteils auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den anderen Elternteil. Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Annahme einer Zustimmung nach § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB setzt voraus, dass sich das Gericht im Rahmen der persönlichen Anhörung des die Zustimmung erklärenden Elternteils von deren Wirksamkeit, Reichweite, Ernsthaftigkeit und Freiwilligkeit überzeugt hat.

 

Normenkette

BGB § 1671 Abs. 2 Nr. 1; FamFG § 160

 

Verfahrensgang

AG Saarbrücken (Beschluss vom 15.10.2009; Aktenzeichen 41 F 329/09 SO)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - in Saarbrücken vom 15.10.2009 - 41 F 329/09 SO - samt des ihm zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die notwendigen Aufwendungen der Beteiligten im Beschwerdeverfahren - an das Familiengericht zurückverwiesen.

2. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben.

3. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

4. Der Antragsgegnerin wird mit Wirkung vom 24.12.2009, dem Antragsteller mit Wirkung vom 6.1.2010 ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt. Der Antragsgegnerin wird Rechtsanwältin, dem Antragsteller Rechtsanwältin, beigeordnet.

 

Gründe

I. Aus der seit dem 17.4.2008 geschiedenen Ehe der Kindeseltern gingen -neben vier weiteren Kindern - die Kinder M.-F., geboren am, und A.-V., geboren am, hervor. Allein M. ist vorliegend noch verfahrensbetroffen.

Mit am 9.9.2009 eingegangenem Antrag hat der Vater beantragt, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für M. und A. zu übertragen.

Die Mutter hat mit an die zuständige Familienhelferin des Familienzentrums Saarbrücken, Frau Mü., gerichtetem Faxschreiben vom 9.9.2009 dem Vater die Erlaubnis gegeben, M. "für das Schuljahr 2009/2010 in der Schule in Sulzbach anzumelden" und durch weiteres, an Frau Mü. adressiertes Telefax vom 14.10.2009 dem Vater erlaubt, M. "für ein Jahr als zweiten Wohnsitz bei sich anzumelden".

Mit Beschluss vom 6.10.2009 hat sich das Familiengericht bezüglich A. für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren insoweit an das örtlich zuständige Familiengericht Dessau-Roßlau verwiesen, das das Verfahren übernommen hat.

Im Anhörungstermin vom 15.10.2009 hat das Familiengericht festgestellt, dass die Mutter zum Termin ordnungsgemäß und rechtzeitig geladen worden und nicht erschienen sei. M. und Frau Mü. haben berichtet, die Mutter habe ihnen gesagt, sie sei damit einverstanden, dass M. in Saarbrücken beim Vater bleibe. Frau Mü. hat erklärt, der zuständige Vertreter des Jugendamtes, Herr B., sei mit einer Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater einverstanden. M. hat bekundet, sie sei ebenfalls damit einverstanden, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf ihren Vater übertragen werde.

Durch den angefochtenen Beschluss vom selben Tage, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht dem Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht für M. übertragen.

Hiergegen wendet sich die Mutter mit ihrer fristgerechten Beschwerde, mit der sie beantragt, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung das Aufenthalts-bestimmungsrecht für M. auf sie zu übertragen, hilfsweise, die Entscheidung des Familiengerichts aufzuheben und die Sache an dieses zurückzuverweisen.

Der Vater bittet um Zurückweisung der Beschwerde.

Beide Eltern suchen um Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nach.

Dem Senat haben die Akten des Familiengerichts Saarbrücken 41 F 330/09 EASO und des VormG Saarbrücken 10 XVII G 1334/07 vorgelegen.

II. Die - nach §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 und Abs. 2 FamFG zulässige - Beschwerde der Mutter ist begründet und führt in der Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des ihm zugrunde liegenden Verfahrens zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Familiengericht. Denn das Verfahren des Familiengerichts leidet an einem wesentlichen Mangel, für eine Entscheidung des Senats wäre eine aufwendige Beweiserhebung notwendig und die Mutter hat die Zurückverweisung beantragt (§ 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG).

Das Familiengericht hätte nicht ohne persönliche Anhörung der Mutter entscheiden dürfen, und zwar ungeachtet der Frage, ob es im Termin vom 15.10.2009 zu Recht angenommen hat, dass die Mutter zum Anhörungstermin ordnungsgemäß und rechtzeitig geladen worden sei.

Nach § 160 Abs. 1 Satz 1 FamFG sollen die Eltern im Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, vom Gericht persönlich angehört werden. Diese Pflicht dient zum einen der Gehörsgewährung (Art. 103 Abs. 1 GG), zum anderen verdichtet sie die in § 26 FamFG normierte Verpflichtung des Gerichts zu amtswegiger Aufklärung des Sachverhalts (vgl. BGH FamRZ 1985, 169). Von der Anhörung darf daher gem. § 160 Abs. 3 FamFG nur aus schwerwiegenden Gründen abgesehen werden. Das Unte...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge