Entscheidungsstichwort (Thema)

Gemeinsame elterliche Sorge: Kriterien zur Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts bei Getrenntleben. Aufgabe des Verfahrensbeistandes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Sorgerechtskriterien im Rahmen der Entscheidung nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

2. Es ist nicht Aufgabe des Verfahrensbeistandes, den Willen der Eltern, sondern den des Kindes zu ermitteln und in das Verfahren einzuführen (Anschluss an BVerfG FamRZ 2010, 109).

 

Normenkette

BGB § 1671 Abs. 2 Nr. 2; FamFG § 158

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Gerichts in pp. vom pp. wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Der Verfahrenswert der Beschwerdeinstanz wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

3. Der Antragsgegnerin wird die von ihr für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe verweigert.

 

Gründe

I. Aus der am pp. geschlossenen und seit dem pp. rechtskräftig geschiedenen Ehe der Mutter und des Vaters sind die beiden betroffenen Kinder L., geboren am pp. und M. geboren am pp. hervorgegangen. Sie lebten nach der räumlichen Trennung der Eltern im pp. zunächst bei der Mutter, in deren Haus im Jahr pp. auch pp. einzog, zu dem die Mutter jedenfalls ab pp. auch eine intime Beziehung eingegangen ist. Am pp. wechselten die Kinder aufgrund einer im Raume stehenden Inobhutnahme vorübergehend in den Haushalt des Vaters, bis sie etwa eine Woche später wieder zum Mutter zurückkehrten. Im Verfahren pp. vereinbarten die Eltern am pp.. dass bis zum Abschluss des hiesigen Verfahrens die Mutter einen unmittelbaren Kontakt beider Kinder mit pp. unterbinden werde. Im pp. - nach Erlass des angefochtenen Beschlusses des Familiengerichts - haben die Kinder in den Haushalt des Vaters gewechselt, wo sie seither leben.

Im vorliegenden Verfahren hat der Vater mit am pp. beim Gericht in pp. eingegangenem Antrag das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Personensorge sowie das Recht der medizinischen Versorgung für beide Kinder begehrt.

Die Mutter hat um Zurückweisung dieses Antrags gebeten.

Nach Verweisung des Verfahrens an das Gericht in pp. hat dieses beiden Kindern einen Verfahrensbeistand bestellt, der - ebenso wie das Jugendamt - den Wechsel der Kinder in den Haushalt des Vaters befürwortet hat.

Durch den angefochtenen Beschluss vom pp., auf den Bezug genommen wird, hat das Gericht - nach persönlicher Anhörung der Kinder, der Eltern, der Vertreterin des Jugendamts und des Verfahrensbeistandes sowie Einholung und mündlicher Erläuterung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen pp. - dem Vater unter Zurückweisung seines weitergehenden Antrags das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder übertragen.

Gegen diesen der Mutter am pp. zugestellten Beschluss richtet sich deren am pp. - einem Montag - beim Gericht eingegangene Beschwerde, mit der sie beantragt, den Beschluss des Gerichts "aufzuheben" und ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder unter Aufrechterhaltung des Beschlusses im Übrigen alleine zu übertragen. Sie sucht ferner um Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nach.

Der Vater und der Verfahrensbeistand verteidigen den angefochtenen Beschluss.

Das angehörte Jugendamt hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Dem Senat haben die Akten pp. und pp. des Gerichts vorgelegen.

II. Die nach §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Mutter bleibt ohne Erfolg.

Zu Recht und auf der Grundlage eines beanstandungsfreien Verfahrens hat das Gericht dem Vater nach § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder übertragen.

Unangegriffen und rechtsbedenkenfrei (vgl. dazu OLG Saarbrücken vom 5.1.2011 - 6 UF 96/10 -; v. 26.8.2009 - 6 UF 68/09 -, FamRZ 2010, 385, jeweils m. z. w. N.-) hat das Gericht die gemeinsame elterliche Sorge im Teilbereich Aufenthaltsbestimmung aufgehoben und es im Übrigen bei der gemeinsamen elterlichen Sorge der Eltern für beide Kinder belassen, nachdem sich die Eltern lediglich über deren künftigen gewöhnlichen Aufenthalt nicht einig sind, eine Regelung dieser Frage allerdings aus Gründen des Kindeswohls erforderlich ist.

Es findet ebenfalls vollumfänglich die Billigung des Senats, dass das Gericht - auf der zweiten Prüfungsebene des § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB (vgl. dazu BGH FamRZ 2008, 592) - gerade dem Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen hat, weil dies dem Wohl der beiden betroffenen Kinder am besten entspricht.

Bei der allein am Kindeswohl auszurichtenden Frage, welchem der Elternteile die elterliche Sorge oder - wie hier - ein Teilbereich dieser zu übertragen ist, sind die Erziehungseignung der Eltern - einschließlich ihrer Bindungstoleranz -, die Bindungen des Kindes - insbesondere an seine Eltern und Geschwister -, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie der Kindeswille als gewichtige Gesichtspunkte zu berücksichtigen (BGH FamRZ 2010, 1060; 1990, 392; 1985, 169). Außer diesen Aspekten sind je nach den Begleitumständen des Falles weitere Gesichtspunkte wie Erziehungsbereitschaft, ...

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