Leitsatz (amtlich)

Ist im Geburtenregister als Geschlecht einer strafgefangenen Person "divers" eingetragen, so ist die Justizvollzugsanstalt, in der diese Person inhaftiert ist, verpflichtet, auf den von ihr gefertigten, diese Person betreffenden Ausdrucken und Bescheinigungen, soweit auf diesen die Angabe des Geschlechts vorgesehen ist, das Geschlecht dieser Person mit "divers" anzugeben.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Entscheidung vom 22.05.2020; Aktenzeichen S II StVK 1232/19)

 

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde der antragstellenden Person wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer II des Landgerichts Saarbrücken vom 22. Juni 2020, soweit er die unter Ziffern I. und II. des Beschlusstenors getroffenen Entscheidungen betrifft, a u f g e h o b e n.

2. Die Justizvollzugsanstalt Saarbrücken wird verpflichtet, auf den von ihr gefertigten, die antragstellende Person betreffenden Ausdrucken und Bescheinigungen (z. B. dem Wahrnehmungsbogen, Haftbescheinigungen, Kontoauszügen, Lohnscheinen, ärztlichen Überweisungen), soweit auf diesen die Angabe des Geschlechts vorgesehen ist, das Geschlecht der antragstellenden Person mit "divers" anzugeben.

3. Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen einschließlich der der antragstellenden Person entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse. Hiervon ausgenommen sind die durch die Anrufung des unzuständigen Verwaltungsgerichts des Saarlandes entstandenen Mehrkosten; diese trägt die antragstellende Person selbst.

4. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 500,-- EURO.

 

Gründe

I.

Die - bereits in der Vergangenheit wiederholt sowohl wegen Betruges als auch wegen Verbreitung, Erwerbs und Besitzes kinderpornographischer Schriften zu Geld- und zu zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafen verurteilte - antragstellende Person ist seit dem 17.05.2016 inhaftiert. Am 07.07.2016 wurde sie der Justizvollzugsanstalt Saarbrücken als männlicher Gefangener zugeführt. Dort verbüßt sie - nach bis zum 14.06.2017 erfolgter Vollstreckung einer wegen Verbreitung kinderpornographischer Schriften verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten - zum einen eine gegen sie mit Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 06.12.2017 (Az.: 20 KLs 4/16) i.V.m. mit dem Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 01.11.2018 (Az.: 31 KLs 4/18) und dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 03.05.2019 (Az.: 3 StR 86/19) wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zwei Fällen, Verbreitung kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit Besitz kinderpornographischer Schriften, Betruges in acht Fällen sowie Urkundenfälschung verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und fünf Monaten und zum anderen eine mit Urteil des Amtsgerichts Haßfurt vom 28.10.2013 (Az.: 1 Ds 116 Js 14809/10) wegen Betruges in vier Fällen verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 12. August 2020 - 1 Ws 131/20, 1 Ws 132/20 -).

Aufgrund einer von der antragstellenden Person am 29.04.2019 vor dem Standesamt Saarbrücken nach § 45b PStG abgegebenen "Erklärung zur Geschlechtsangabe und Vornamensführung", mit der sie die Änderung der bisherigen Angaben zu ihrem Geschlecht ("männlich") und zu ihrem Vornamen (...) in "divers" und "..." erklärte (Bl. 6 der Strafvollzugsakte S II StVK 1233/19 LG Saarbrücken), wurde am 16.05.2019 vom Standesbeamten ihrer Geburtsstadt ... als Vorname "..." und als Geschlecht "divers" in die Geburtsurkunde eingetragen (Bl. 3 d. A.).

Noch am selben Tag teilte die antragstellende Person der Leitung der Justizvollzugsanstalt Saarbrücken die erfolgte Änderung des Eintrags zu ihrem Geschlecht in der Geburtsurkunde mit und händigte ihr eine Kopie der Geburtsurkunde aus. Nachdem in den darauffolgenden Wochen in Kontoauszügen, Lohnscheinen und Haftbescheinigungen der Justizvollzugsanstalt bei der Angabe des Geschlechts der antragstellenden Person weiterhin "männlich" eingetragen war, bemängelte die antragstellende Person dies am 01.06.2019 und sodann abermals am 04.06.2019 gegenüber der Anstaltsleitung. Vom Sozialdienst erhielt die antragstellende Person die Mitteilung, dass es aufgrund eines "Computerfehlers" nicht möglich sei, das Geschlecht "divers" einzutragen. Stattdessen wurde der antragstellenden Person der Ausdruck eines auf den 19.07.2019 datierten Wahrnehmungsbogens (Bl. 4 d. A.) ausgehändigt, in dem als Geschlecht der antragstellenden Person "männlich" eingetragen, auf dem aber ein Vermerk vom 23.05.2019 folgenden Inhalts enthalten ist: "Das Geschlecht des Gefangenen wurde am 16.05.2019 auf divers geändert." Das geschah vor dem Hintergrund, dass das in der Justizvollzugsanstalt Saarbrücken verwendete EDV-System "BasisWeb" derzeit noch nicht die Möglichkeit bietet, bei Gefangenen das dritte Geschlecht auszuwählen. In sämtlichen Bescheinigungen und Ausdrucken der Justizvollzugsanstalt Saarbrücken wird daher das Geschlecht "männlich" ausgewiesen. Die Justizvollzugsanstalt Saarbrücken selbst hat keine Möglichkeit, eine Änderung des Computerprogramm...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge