Entscheidungsstichwort (Thema)

Ehescheidung: Zeitliche Grenze für ein Zusammenleben über kürzere Zeit zwecks Versöhnung. Darlegung der Scheidungsvoraussetzungen im Scheidungsantrag

 

Leitsatz (amtlich)

a) Ein Zeitraum von drei Monaten stellt - vorbehaltlich besonderer Umstände - die Obergrenze dar, bis zu der noch ein "Zusammenleben über kürzere Zeit" i.S.d. § 1567 Abs. 2 BGB - und damit ein den Lauf des Trennungsjahres nicht beeinflussender Versöhnungsversuch - angenommen werden kann.

b) Es genügt nicht, einen Scheidungsantrag auf den Ablauf des Trennungsjahres, die Zustimmung des Antragsgegners und die nicht ausgeführte Behauptung der Zerrüttung der Ehe zu stützen. Der Antragsgegner muss entweder die Zerrüttung der Ehe nach § 1561 Abs. 1 BGB im Einzelnen darlegen - Zerrüttungsscheidung - oder gehaltvoll die Voraussetzung vortragen, die § 630 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO für eine einverständliche Scheidung vorgibt.

 

Normenkette

BGB § 1565 Abs. 1, § 1566 Abs. 1, § 1567 Abs. 2; ZPO § 630 Abs. 1 Nrn. 2-3

 

Verfahrensgang

AG Saarbrücken (Beschluss vom 29.06.2009; Aktenzeichen 2 F 168/09 S)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - in Saarbrücken vom 29.6.2009 - 2 F 168/09 S - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§ 574 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 2 ZPO).

 

Gründe

Die als sofortige Beschwerde nach § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zu behandelnde und mit dieser Maßgabe zulässige "Beschwerde" des Antragstellers bleibt ohne Erfolg; denn sein Scheidungsbegehren bietet derzeit keine hinreichende Erfolgsaussicht, § 114 ZPO.

Das Trennungsjahr, das sowohl für eine Zerrüttungsscheidung (§ 1565 Abs. 1 BGB) wegen § 1565 Abs. 2 BGB als auch für eine einvernehmliche Scheidung gem. §§ 1565 Abs. 1 i.V.m. § 1566 Abs. 1 BGB erforderlich ist, ist noch nicht abgelaufen, nachdem die Parteien vom 1.7. bis 29.10.2008 einen Versöhnungsversuch unternommen haben, dessen Beendigung das Trennungsjahr erneut in Lauf gesetzt hat (BGH FamRZ 1982, 576; OLG München FamRZ 1990, 885; OLG Hamm NJW-RR 1986, 554; Palandt/Brudermüller, BGB, 67. Aufl., § 1567 Rz. 7 a.E.), welches daher erst am 29.10.2009 ablaufen wird.

Soweit der Antragsteller zu dem hinsichtlich der Dauer des Versöhnungsversuchs präzisen Vortrag der Antragsgegnerin erklärt hat, dieser habe von Juli bis Oktober 2008 gedauert, genau könne er sich an die Daten nicht mehr erinnern, stellt dies zum einen kein ausreichend substantiiertes Bestreiten der von der Antragsgegnerin konkret behaupteten Daten dar, zum anderen hat auch nach seiner Darstellung der Versöhnungsversuch länger als drei Monate gedauert.

Der Senat teilt die Auffassung des Familiengerichts, dass ein Zeitraum von drei Monaten - vorbehaltlich besonderer Umstände, die weder der Antragsteller vorgetragen hat noch aus der Akte ersichtlich sind - die Obergrenze darstellt, bis zu der noch ein "Zusammenleben über kürzere Zeit" i.S.d. § 1567 Abs. 2 BGB - und damit ein den Lauf des Trennungsjahres nicht beeinflussender Versöhnungsversuch - angenommen werden kann (ganz h.M., vgl. OLG Zweibrücken, FamRZ 1981, 146; OLG Hamm NJW-RR 1986, 554; Erman/Dieckmann, BGB, 10. Aufl., § 1567 Rz. 17; Hk-FamR/Ganz, 1. Aufl., § 1567 Rz. 13; Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl., § 1567 Rz. 34; juris-PK/Köper/Hebbeker, 4. Aufl., § 1567 Rz. 10; Palandt/Brudermüller, BGB, 67. Aufl., § 1567 Rz. 8: "zumindest für die Jahresfrist der §§ 1565 Abs. 2, 1566 Abs. 1 BGB"; Prütting/Wegen/Weinreich/Weinreich, BGB, 3. Aufl., § 1567 Rz. 12; MünchKomm/BGB/Wolf, BGB, 4. Aufl., § 1567 Rz. 65; RGRK/Graßhof, 12. Aufl., § 1567 Rz. 68; Schwab/Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 5. Aufl., Kapitel II, Rz. 162; Soergel/Heintzmann, BGB, 12. Aufl., § 1567 Rz. 30 f.; Staudinger/Rauscher, BGB, 13. Bearb., § 1567 Rz. 137, 141; Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein/von Heintschel-Heinegg, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 6. Aufl., 2. Kapitel, Rz. 56; Finke/Ebert, Familienrecht in der anwaltlichen Praxis, 6. Aufl., § 3 Rz. 112; etwas großzügiger OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 96: "drei Monate noch kurz"; unklar Bisping in AnwKomm/BGB, 1. Aufl. 2005, § 1567 Rz. 12 und AK-BGB/Lange-Klein, § 1567 Rz. 13, die beide auf den bisherigen Verlauf der konkreten ehelichen Lebensgemeinschaft abheben wollen). Der Wortlaut des § 1567 Abs. 2 BGB ("kürzere Zeit") setzt der Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs Grenzen, die regelmäßig spätestens erreicht sind, wenn drei Monate überschritten werden.

Soweit sich der Antragsteller auf die Entscheidung des OLG Köln (FamRZ 1982, 1015) beruft, missversteht er diese. Darin wird zwar ausgeführt, mehr als vier Monate seien in der Regel keine kürzere Zeit i.S.d. § 1567 Abs. 2 BGB mehr. Dem lag aber zum einen ein ...

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