Leitsatz (amtlich)

Ein Sachverständiger, der einen Ortstermin durchführt, obwohl eine Partei der Gegenseite den Zutritt zum Terminsort verweigert, kann mit Erfolg abgelehnt werden.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Beschluss vom 31.05.2013; Aktenzeichen 10 O 30/11)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerinnen vom 19.6.2013 wird der Beschluss des LG Saarbrücken vom 31.5.2013 - Az.: 10 O 30/11 - abgeändert und das Gesuch der Klägerinnen auf Ablehnung des Sachverständigen H. vom 10.1.2013 für begründet erklärt.

2. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.241 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerinnen verlangen von der Beklagten Pflichtteilsergänzung.

Mit Beschlüssen vom 6.8.2012 und 24.8.2012 - 10 O 301/11 - hat das LG den Sachverständigen R.-O. H. mit der Erstellung eines Verkehrswertgutachtens über das Hausgrundstück "[Straße, Nr.] in [PLZ, Ort]" beauftragt.

Bei dem anberaumten Ortstermin am 4.12.2012 weigerte sich die Beklagte, der Klägerin zu 1), die mit ihrer Prozessbevollmächtigten erschienen war, Zutritt zu dem Hausgrundstück zu gewähren. Sie berief sich darauf, dass zwei Mieter (einer ist der Sohn der Beklagten), die einzelne Wohnungen in dem Anwesen gemietet hätten, nicht mit dem Zutritt durch die Klägerinnen einverstanden seien. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen verließ den Ortstermin unter Protest, nachdem ihrer Partei der Zutritt zu dem Anwesen verwehrt wurde. Der Sachverständige H. führte den Ortstermin trotzdem in Anwesenheit der Beklagtenseite durch.

Der Sachverständige H. verwies darauf, dass er nach Diskussion mit der Klägervertreterin trotz angekündigten Befangenheitsantrages für den Fall, dass er den Ortstermin einseitig durchführe, diesen durchgeführt habe, um im Nachhinein nach Weisung des Gerichts zu entscheiden, ob ein weiterer Ortstermin nötig sei und wie in diesem zu verfahren sei. Er teilte mit, dass aus seiner Sicht ein weiterer Ortstermin nicht notwendig sei.

Das LG hat den Ablehnungsantrag mit Beschl. v. 31.5.2013 - 10 O 30/11 (Bl. 338 d.A.) zurückgewiesen. Hiergegen haben die Klägerinnen mit Schriftsatz vom 19.6.2013 sofortige Beschwerde eingelegt, der das LG mit Beschluss vom 21.6.2013 (Bl. 346 d.A.) nicht abgeholfen hat.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere gem. § 406 Abs. 5 ZPO statthaft und innerhalb der Beschwerdefrist des § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt. Sie ist auch begründet, weil die Voraussetzungen für eine Ablehnung des Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit gem. §§ 406 Abs. 1, Abs. 3, 42 ZPO erfüllt sind.

Der Senat hatte durch eines seiner Mitglieder zu entscheiden, weil die angefochtene Entscheidung vom Einzelrichter erlassen wurde.

(1.) Der Ablehnungsantrag vom 10.1.2013, bei Gericht am 15.1.2013 eingegangen, war nicht verfristet.

Nach § 406 Abs. 2. S. 2 ZPO sind Ablehnungsgründe unverzüglich nach Kenntnis vom Ablehnungsgrund geltend zu machen. Das bedeutet, dass der Ablehnungsantrag zwar nicht sofort, wohl aber ohne schuldhaftes Zögern, das heißt innerhalb einer den Umständen des Einzelfalls angepassten Prüfungs- und Überlegungsfrist anzubringen ist, und der Antragsteller glaubhaft zu machen hat, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen (BGH, Beschl. v. 15.3.2005 - VI ZB 74/04, NJW 2005, 1869).

Grundsätzlich besteht für die Parteien keine Verpflichtung, selbst Erkundigungen darüber anzustellen, ob ein Ablehnungsgrund in Betracht kommt. Anders kann dies im Einzelfall sein, wenn konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes bestehen (BGH, Beschl. v. 23.9.2008 - X ZR 135/04, NJW 2009, 84). Es soll verhindert werden, dass eine Partei sich erst abwartend auf eine Begutachtung einlässt bzw. der Rechtsstreit verzögert wird.

Zwar hatte die Klägervertreterin nach den Erklärungen des Sachverständigen im Ortstermin vom 4.12.2012 Anhaltspunkte dafür, dass der Sachverständige den Ortstermin unter Verletzung von § 357 ZPO durchführen könnte. Eine sofortige Erkundigung war von ihr aber nicht zu verlangen, weil der Sachverständige angekündigt hatte, das Gericht zu informieren. Die Klägervertreterin durfte deshalb zunächst auf eine Reaktion des Gerichts und Mitteilung über den Ortstermin vom 4.12.2012 warten, denn die Einhaltung des § 357 ZPO war durch das Gericht sicherzustellen. Angesichts der Weihnachtsfeiertage und des Jahreswechsels war ein Tätigwerden der Klägervertreterin vor Januar 2013 nicht zu verlangen.

(2.) Gemäß § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Gemäß § 42 ZPO genügt es, dass objektive Umstände gegeben sind, aufgrund deren vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung besteht, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber (BGH, Urt. v. 15.4.1975 - X ZR 52/75, NJW 1975, 1363; BGH, Beschl. v. 23.10.2007 - X ZR 100/05 - GRUR 2008, 191). Es kommt nicht darauf an, ob das Gericht selbst Zweifel an der Unpa...

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