Leitsatz (amtlich)

Bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe darf bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung lediglich geprüft werden, ob die Klage im Zeitpunkt der Entscheidungsreife hinreichend erfolgversprechend war. Eine verfahrenswidrig durchgeführte Beweisaufnahme ist ebenso wenig zu berücksichtigen, wie der Umstand, dass die Partei die ihr nachteilige Entscheidung in der Hauptsache nicht angefochten hat. Das beruht auf dem verfassungsrechtlichen Gebot des chancengleichen und effektiven Rechtsschutzes.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Beschluss vom 24.09.2004; Aktenzeichen 12 O 267/04)

 

Tenor

Unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung wird der Klägerin für die erste Instanz ratenfreie Prozesskostenhilfe ab dem 1.8.2004 bewilligt. Ihr wird Rechtsanwalt, Neunkirchen, beigeordnet.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat die Beklagte im Wege der Stufenklage u.a. auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen und mit Einreichung der Klageschrift Prozesskostenhilfe beantragt, wobei sie den ausgefüllten Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen beigefügt hat. Das LG hat Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt, nach Eingang der Klageerwiderung, in der die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben hat, eine von der Beklagten benannte Zeugin hinzugeladen und die Zeugin vernommen. Nach Durchführung der Beweisaufnahme hat es der Klägerin aufgegeben, die eingereichte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu vervollständigen. Dem ist die Klägerin nachgekommen.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das LG aus den Gründen des am selben Tage verkündeten Urteils den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, das Ergebnis der Beweisaufnahme sei bei der Entscheidung zu berücksichtigen gewesen, weil der Prozesskostenhilfeantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung unvollständig und deshalb noch nicht entscheidungsreif gewesen sei.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin.

II. Die zulässige Beschwerde, der das LG nicht abgeholfen hat, ist begründet. Der Klägerin ist die beantragte Prozesskostenhilfe für die erste Instanz zu bewilligen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung im maßgebenden Zeitpunkt hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte (§ 114 ZPO).

1. Die ZPO geht von der Konzeption aus, dass innerhalb des gerichtlichen Rechtsschutzes das Prozesskostenhilfeverfahren und das Hauptsacheverfahren selbständig nebeneinander laufen. Das Prozesskostenhilfeverfahren ist beschränkt auf die Prüfung, ob die Voraussetzungen der §§ 114, 115 ZPO vorliegen, ob also die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig ist und ob der Antragsteller bedürftig ist. In diesem Verfahren, das beschleunigt durchgeführt werden soll, ist daher (nur) zu prüfen, ob die beabsichtigte oder bereits anhängige Klage schlüssig ist; es ist nicht statthaft, über die Prozesskostenhilfebewilligung erst nach Verhandlung und Beweiserhebung in der Hauptsache zu entscheiden (BVerfG FamRZ 1992, 1151 f.; Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 114 Rz. 21a). Hat der Antragsteller die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unvollständig ausgefüllt oder fehlen Belege, so muss das Gericht unverzüglich eine Frist zur Vervollständigung setzen (OLG München v. 17.11.1997 - 12 WF 1267/97, OLGReport München 1998, 51 = MDR 1998, 559); ob eine anhängig gemachte Klage bereits vor Bewilligung von PKH zuzustellen ist, richtet sich nach § 65 Abs. 7 S. 1 Nr. 3, S. 2 GKG.

Diese Vorschriften für das Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren hat das LG nicht beachtet. Es hat vielmehr - ohne vorherige Bewilligung von Prozesskostenhilfe, ohne Anforderung eines Kostenvorschusses und ohne Glaubhaftmachung nach § 65 Abs. 7 GKG - die Klage zugestellt, Verhandlungstermin bestimmt und Beweis erhoben, ohne zuvor auf eine seiner Meinung nach erforderliche Vervollständigung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hinzuwirken und über den Prozesskostenhilfe-Antrag zu entscheiden.

2. Es stellte sich deshalb die Frage, wie sich diese verfahrenswidrige Weiterführung des Hauptverfahrens auswirkte, ob insb. der Fortgang des Hauptverfahrens die Voraussetzungen des Tatbestandsmerkmals "hinreichender Erfolg" (§ 114 ZPO) in der Weise veränderte, dass das Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme die Beurteilung der Erfolgsaussicht beeinflusste.

Dem Gesetz lässt sich darüber, von welcher Grundlage das Gericht bei der Entscheidung über den Prozesskostenhilfe-Antrag auszugehen hat, ausdrücklich nichts entnehmen. Weitgehend unstreitig ist nur, dass hinsichtlich der subjektiven Voraussetzung - der Bedürftigkeit - auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist (Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 119 Rz. 44, m.w.N.). Von welchem Zeitpunkt aus die objektive Voraussetzung - die Erfolgsaussicht - zu beurteilen ist, ist dagegen lebhaft umstritten.

Sind zwischen Antrags...

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