Entscheidungsstichwort (Thema)

Räumung

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Vorlegungsbeschluss vom 22.10.1990; Aktenzeichen 13 BS 52/90)

AG Saarbrücken (Aktenzeichen 36 C 949/89)

 

Tenor

§ 569 a Abs. 2 BGB, wonach Familienangehörige unter bestimmten Voraussetzungen mit dem Tode des Mieters in das Mietverhältnis eintreten, ist auf die Partnerin (den Partner) einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft anwendbar, wenn die nichteheliche Lebensgemeinschaft mit dem verstorbenen Mieter auf Dauer angelegt und beide Teile unverheiratet waren.

 

Tatbestand

A

Der Kläger ist Eigentümer einer in dem Anwesen … gelegenen Wohnung. Gemäß schriftlichem Mietvertrag vom 9. August 1975 ist die Wohnung an den … vermietet worden. Der Mieter … ist am 26.9.1989 gestorben. Die Nachlaßverhältnisse sind noch nicht abschließend geklärt. Die Wohnung wird nunmehr von der Beklagten allein bewohnt, wobei der Umfang der Mitbenutzung der Wohnung durch die Beklagte zu Lebzeiten des Mieters … zwischen den Parteien streitig ist.

Der Kläger hat unter Stellung eines entsprechenden Antrages gegen die Beklagte Räumungsklage erhoben.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und hierzu vorgetragen, sie sei die nichteheliche Lebensgefährtin des verstorbenen Mieters … gewesen und habe zu dessen Lebzeiten die Wohnung mitbenutzt.

Das Amtsgericht hat durch Urteil vom 16.1.1990 der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Räumung verurteilt. Es hat ausgeführt, § 569 a Abs. 2 BGB könne vorliegend nicht angewandt werden. Selbst wenn man davon ausgehe, daß die Beklagte seit 1976 mit dem verstorbenen Mieter als dessen Lebensgefährtin die Wohnung bewohnt habe, so falle sie nicht unter den in § 569 a Abs. 2 BGB genannten Personenkreis. Der Begriff des Familienangehörigen im Sinne des § 569 a Abs. 2 BGB sei zwar sehr weit auszulegen, jedoch sei eine klare Grenze für diesen Begriff nur dadurch zu ziehen, daß alle Personen, die mit dem Mieter nicht verwandt oder verschwägert seien, ohne Rücksicht auf moralische Verpflichtungen vom Anwendungsbereich des § 569 a BGB ausgenommen werden müßten.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese auch ordnungsgemäß begründet. Sie greift die Rechtsausführungen des Amtsgerichts zu § 569 a BGB an und verfolgt mit ihrer Berufung die Abänderung des Urteils und die Abweisung der Klage.

Das Landgericht hat – wegen grundsätzlicher Bedeutung – dem Senat folgende Rechtsfrage zum Rechtsentscheid vorgelegt:

„Kann § 569 a Abs. 2 BGB unmittelbar oder rechtsähnlich auf die Partnerin oder den Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft angewandt werden, so daß diese oder dieser in das Mietverhältnis eintreten kann?”

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt: Die Kammer beabsichtige – vorbehaltlich der durch Beweisaufnahme zu klärenden Fragen der Mitbenutzung der Wohnung und des Bestandenhabens der nichtehelichen Lebensgemeinschaft – die Klage abzuweisen. Sie vertrete in Übereinstimmung mit den Landgerichten Hannover (NJV 86, 727), Berlin (NJW 90, 1041) und Hamburg (WM 89, 304) die Auffassung, daß S. 569 a Abs. 2 BGB zumindest entsprechend auch auf den Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft anzuwenden sei. Die Kammer sei an der eigenen abschließenden Entscheidung dieser Rechtsfrage gehindert. Die erstmalige zivilrechtliche Auslegung des § 569 a Abs. 2 BGB im Sinne der Erstreckung auf den nichtehelichen Lebensgefährten sei eine mietrechtliche Frage von grundsätzlicher Bedeutung, deren Entscheidung der Kammer untersagt sei (BVerfG NJW 1990, 1593 ff). Dem Vorlagebeschluß stehe auch nicht entgegen, daß letztlich noch nicht entschieden werden könne, da bei Bejahung der vorgelegten Frage die Berufung noch nicht entscheidungsreif sei. Denn die Kammer brauche vor der Vorlage keinen Beweis zu erheben.

Die Parteien des Rechtsstreits haben sich zu dem Vorlagebeschluß geäußert.

 

Entscheidungsgründe

B

I.

Die Vorlage ist zulässig.

Gegenstand des Vorlagebeschlusses (Art. III Abs. 1 Satz 1 des 3. MietRÄndG) ist eine Frage, die den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betrifft. Es geht um die Rechtsfrage, ob ein Dritter nach dem Tode des Mieters gemäß der nur für Wohnraummietverhältnisse geltenden Bestimmung des § 569 Abs. 2 BGB in das Mietverhältnis eintritt. Diese Frage ist aus dem materiellen Wohnraummietrecht zu beantworten und daher einem Rechtsentscheid zugänglich (vgl. BayObLGZ 1988, 109/112 m.v.N.).

Die vorgelegte Rechtsfrage ist, was von Amts wegen zu prüfen ist (BayObLG NJW-RR 1986, 1145; BayObLGZ 89, 319 ff; offengelassen in BGH NJW 1987, 2372; BGH NJW 1990, 3142), für die Entscheidung des Landgerichts auch erheblich. Dabei ist maßgebend, welche Rechtsauffassung das Landgericht in dem Vorlagebeschluß vertritt sowie welche Tatsachenfeststellung und -würdigung es zugrunde legt, es sei denn, sie wäre unhaltbar (h.M.; BayObLG NJW 87, 1950). Hiernach bestehen gegen die Zulässigkeit der Vorlage keine Bedenken. Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des BGH (vgl. NJW 1987, 2575 unter II 3; NJW 1988, 904), die de...

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