Leitsatz

Die Rückgabe einer in einem Strafverfahren beschlagnahmten Sache hat an dem Ort zu erfolgen, an welchem diese von den Ermittlungsbehörden rechtmäßig aufbewahrt wurde. Die zuständigen Justizbehörden sind nicht verpflichtet, die Sache zu dem Berechtigten zu bringen.

 

Sachverhalt

In der Kanzlei des Klägers, eines seinerzeit in Hamburg praktizierenden Rechtsanwalts, beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft im Zuge eines gegen ihn geführten steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens in den Jahren 1984 und 1989 aufgrund einer richterlichen Anordnung Unterlagen aus Mandantenakten. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren später gegen Geldauflage gemäß § 153a StPO ein. Die in mehreren Kartons aufbewahrten beschlagnahmten Dokumente wurden von der Ermittlungsbehörde zur Abholung bereitgestellt. Der Kläger, der seinen Wohn- und Kanzleisitz zwischenzeitlich nach Ibiza verlegt hat, begehrt mit seiner Klage die Verurteilung der Stadt Hamburg, die beschlagnahmten Unterlagen an seinen neuen Wohnsitz zu übersenden. Der BGH wies dieses Begehren zurück.

 

Entscheidung

Mit der Beschlagnahme kommt ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis zustande, auf das § 697 BGB analog anzuwenden ist. Danach hat die Rückgabe der hinterlegten bzw. durch Beschlagnahme in öffentlich-rechtliche Verwahrung genommenen Sache an dem Ort zu erfolgen, an dem die Sache aufzubewahren war. Der Verwahrer, also die beklagte Justizbehörde, ist nicht verpflichtet, die Sache zum Hinterleger bzw. Kläger, zu bringen.

Zwar lehnt ein Großteil der Literatur diese Auffassung bislang ab mit der Konsequenz, dass beschlagnahmte Sachen dem Betroffenen dort zurückzugeben seien, wo sie von der Behörde beschlagnahmt oder dieser zur Abwendung der Beschlagnahme freiwillig übergeben worden waren[1]. Teilweise wird sogar vertreten, die Gegenstände seien dem Berechtigten auf Verlangen an den von diesem gewünschten Ort zurückzubringen[2].

Diese Ansicht vermochte der Senat aber nicht zu teilen. Vielmehr erhält der hier zu beurteilende Sachverhalt sein Gepräge dadurch, dass die Beschlagnahme seinerzeit rechtmäßig gewesen war und ihre gesetzliche Grundlage in § 94 StPO hatte. Die Rechtmäßigkeit des hoheitlichen Zugriffs begründet aber auch eine sachliche Rechtfertigung für das öffentlich-rechtliche Verwahrungsverhältnis, die in ihrem Gewicht dem vertraglichen Konsens bei einem privatrechtlichen Verwahrungsvertrag mindestens gleichkommt. Dies rechtfertigt es, die gesetzlichen Regelungen für die Abwicklung eines beendeten zivilrechtlichen Verwahrungsverhältnisses auch auf die Beendigung einer Beschlagnahme anzuwenden. Hierzu gehört auch die gesetzliche Wertung, die der Rückgaberegelung des § 697 BGB zugrunde liegt[3].

 

Praxishinweis

Die Entscheidung hat weit reichende Folgen für die Praxis des (Steuer-)Strafverfahrens. Üblicherweise beschlagnahmen Steuerfahnder zu Beginn ihrer Ermittlungen alle erreichbaren Geschäftsunterlagen, um sie anschließend auszuwerten. Bislang wurde die Rückgabe dieser Asservate sehr unterschiedlich gehandhabt. Es ist damit zu rechnen, dass die Ermittler die Entscheidung des BGH sehr schnell umsetzen und künftig sichergestellte Dokumente nur noch an Amtsstelle wieder aushändigen.

 

Link zur Entscheidung

BGH-Urteil vom 3.2.2005, III ZR 271/04

[1] Vgl. Damrau, Der Ort der Rückgabe beschlagnahmter Sachen, NStZ 2003, S. 408
[2] Diese Meinung vertreten etwa Hoffmann/Knierim, Rückgabe von im Strafverfahren sichergestellten oder beschlagnahmten Gegenständen, NStZ 2000, S. 461
[3] So schon Schäfer, Die Rückgabe beschlagnahmter Beweismittel nach Rechtskraft des Urteils, wistra 1984, S. 136

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