Leitsatz

  1. Im Beschlussanfechtungsverfahren ist materiell-rechtlich das zum Zeitpunkt der Beschlussfassung geltende Recht anzuwenden
  2. Rechtsverfolgungsbeschluss führt noch nicht zu einer selbstständigen Handlungspflicht eines Störers
  3. Erst ein bestandskräftiger inhaltsgleicher Zweitbeschluss führt zur Hauptsacheerledigung eines vorausgehenden Anfechtungsverfahrens
  4. Die Möglichkeit intensiverer Nutzung als Nachteil i.S.d. § 14 WEG
  5. Hat ein Eigentümer einem Beschluss zugestimmt, verliert er dadurch nicht sein Anfechtungsrecht
 

Normenkette

§§ 21 Abs. 1, 43 Nr. 4 WEG

 

Kommentar

  1. In Anfechtungsverfahren gegen Beschlüsse aus der Zeit vor dem 1.7.2007 (Inkrafttreten der WEG-Reform) ist noch das alte materielle Wohnungseigentumsrecht als geltendes Recht zum Zeitpunkt der Beschlussfassung anzuwenden (h.M.).
  2. Erst ein bestandskräftig inhaltsgleicher Zweitbeschluss führt zu einer Hauptsacheerledigung eines vorausgehenden Beschlussanfechtungsverfahrens (vorliegend zum Rückbau einer am Sondereigentumsbalkon angebauten Treppe).
  3. Im Übrigen hält der Senat an seiner Rechtsprechung fest, dass ein Eigentümerbeschluss, mit dem ein Wohnungseigentümer aufgefordert werden soll, bauliche Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum durchzuführen oder – wie vorliegend – von ihm errichtete Anbauten rückgängig zu machen, lediglich die Rechtsverfolgung gegen ihn ermöglicht, aber nicht selbstständig eine entsprechende (konstitutive) Handlungspflicht des Wohnungseigentümers begründet, selbst wenn der Eigentümerbeschluss bestandskräftig geworden ist (KG Berlin, ZMR 1996 S. 389, 390 und 1997 S. 318, 321). Geht man davon aus, dass Eigentümer regelmäßig im Rahmen ihrer rechtlichen Befugnisse handeln wollen, kann ein solcher "Aufforderungsbeschluss" nicht als konstitutive Regelung einer Sonderpflicht, sondern lediglich als Androhung gerichtlicher Maßnahmen verstanden werden. Dennoch kann ein Eigentümer auch einen solchen Beschluss anfechten, da andere Obergerichte (insbesondere das BayObLG, das OLG Köln und das OLG Düsseldorf) angenommen haben, dass ein unangefochten gebliebener Eigentümerbeschluss auch konstitutiv die Verpflichtung des betreffenden Eigentümers zur Wiederherstellung des früheren Zustands begründe, selbst wenn eine bauliche Veränderung nicht als zustimmungsbedürftig einzustufen sei.
  4. Vorliegend war bei Anbau der Treppe von einer baulichen Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums nach § 22 Abs. 1 WEG a. F. auszugehen und begründete auch nach §§ 15 Abs. 3 WEG und 1004 BGB Abwehransprüche, die auch kollektiv von Eigentümern geltend gemacht werden konnten. Nachteil i.S.d. § 14 sei hier die intensivere Nutzung des unter dem Balkon liegenden gemeinschaftlichen Gartenanteils, wobei die damit verbundene Gefahr einer intensiveren Nutzung bereits ausreiche. Vorliegend war der Beseitigungsanspruch auch nicht verjährt und auch nicht verwirkt, ebenso nicht rechtsmissbräuchlich.
  5. Hat ein Eigentümer einer Beschlussfassung zugestimmt, verliert er damit nicht sein nachfolgendes Anfechtungsrecht (h.M.).
Anmerkung

Von konstitutiver Anspruchsgrundlage eines solchen "Forderungs-Beschlusses" ging in Abweichung zur Rechtsprechung des KG zuletzt auch das OLG Hamburg mit Beschluss v. 24.10.2008, ZMR 2009 S. 306, aus. Die Hamburger Entscheidung wurde dort auch m.E. zu Recht heftig kritisiert. Schon nach Streitgegenstandslehre sollte endlich übereinstimmend zwischen einem Aufforderungsbeschluss und etwa bereits beschlossener Störbeseitigungspflicht in korrekter inhaltlicher Beschlussauslegung differenziert werden (ebenso zu Recht Riecke und J.-H. Schmidt)!

 

Link zur Entscheidung

KG Berlin, Beschluss vom 18.05.2009, 24 W 17/08KG Berlin, Beschluss v. 18.05.2009, 24 W 17/08, ZMR 2009 S. 790

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