Der BGH hatte bereits im Jahr 1980 die Komplexität des Wohnungseigentumsrechts beklagt.[1] Durch die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft – zunächst seitens der Rechtsprechung und schließlich des Gesetzgebers – hat sich hieran nichts geändert. Waren zunächst auch neue Probleme entstanden, wurden diese in praxisrelevanter Hinsicht auch gelöst. Vor Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft existierte lediglich eine Gemeinschaft nach Bruchteilen, die nicht rechtsfähig war.

Diese Bruchteilsgemeinschaft besteht auch heute weiter neben der rechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Bruchteilsgemeinschaft besteht aus sämtlichen Wohnungseigentümern, die Eigentümer der Gemeinschaftseigentums nach Bruchteilen sind. Der Bruchteil entspricht dem Miteigentumsanteil des jeweiligen Wohnungseigentümers.

Von maßgeblicher Bedeutung für die Abgrenzung dieser beiden Rechtsbereiche ist § 10 Abs. 1 WEG. Hiernach bestimmt sich das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander nach den Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes und, soweit dieses Gesetz keine besonderen Bestimmungen enthält, nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Gemeinschaft. Das Innenverhältnis einer "klassischen" Bruchteilsgemeinschaft nach §§ 1008 ff. BGB wird wiederum durch das Recht der Gemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB geregelt. Die Bruchteilsgemeinschaft der Wohnungseigentümer ist eine besondere Art der Gemeinschaft, weshalb das Wohnungseigentumsgesetz das Gemeinschaftsrecht des BGB überwiegend überlagert.

Da eine Bruchteilsgemeinschaft – auch die "besondere" Bruchteilsgemeinschaft der Wohnungseigentümer – nicht rechtsfähig ist und auch kein Vermögen haben kann, hatte zunächst die Rechtsprechung und später dann auch der Gesetzgeber aus Gründen der Vereinfachung und zur Schaffung von Rechtsklarheit die Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft anerkannt. Insbesondere im Hinblick auf laufende Verträge waren sich vollziehende Eigentümerwechsel dogmatisch rechtlich nur schwer einzuordnen. Die Wohnungseigentümer in ihrer Gesamtheit bilden daneben auch die rechtsfähige Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Dieser rechtsfähigen Gemeinschaft ist das Gemeinschaftsvermögen zugeordnet.

Im System der Wohnungseigentümergemeinschaften haben die Wohnungseigentümer also eine Doppelstellung inne:

  • Sie sind zum einen als Miteigentümer des Gemeinschaftseigentums Mitglieder einer Bruchteilsgemeinschaft.

  • Sie sind zum anderen als Mitglieder der (teil-)rechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft deren "Gesellschafter".
[1] "Ach so komplexes Gebilde", vgl. BGH, Urteil v. 25.9.1980, VII ZR 276/79, NJW 1981 S. 282.

1.3.1 Verhältnis der Wohnungseigentümer zur Bruchteilsgemeinschaft

Als Mitglieder der Bruchteilsgemeinschaft sind die Wohnungseigentümer Miteigentümer des Gemeinschaftseigentums. Da auch Wohnungseigentum "echtes" Eigentum (wie z. B. das an einem Einfamilienhaus oder einer Doppelhaushälfte) darstellt, müssen den Wohnungseigentümern auch gewisse Rechte eingeräumt sein, ihr Eigentum ohne Beteiligung oder Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer bzw. der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer "verteidigen" zu können. Andererseits ist jeder Wohnungseigentümer Mitglied einer "Zwangsgemeinschaft", die einheitlich zu organisieren und zu verwalten ist. Insoweit obliegt die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums seit Inkrafttreten des WEMoG am 1.12.2020 nicht mehr den Wohnungseigentümern, sondern der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.

Abwehrrechte der einzelnen Wohnungseigentümer bestehen lediglich noch bezüglich des Sondereigentums. Gem. § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG ist jeder Wohnungseigentümer gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern verpflichtet, deren Sondereigentum nicht über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus zu beeinträchtigen.

 
Praxis-Beispiel

Erhöhter Trittschall wegen Auswechslung des Bodenbelags

Tauscht ein Wohnungseigentümer den in seinen Räumen verlegten Teppichboden gegen Fliesen aus und kommt es deshalb zu einem erhöhten Trittschall in der darunter liegenden Wohnung, hat der Eigentümer dieser Wohnung individuelle Abwehrrechte gegen den Eigentümer der darüber liegenden Wohnung.

1.3.2 Verhältnis der Wohnungseigentümer zur Gemeinschaft der Wohnungseigentümer

Da die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums seit Inkrafttreten des WEMoG am 1.12.2020 nicht mehr den Wohnungseigentümern, sondern der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer obliegt, hat die Bruchteilsgemeinschaft erheblich an Bedeutung verloren. Allerdings bleiben die Wohnungseigentümer weiter die "Herren der Verwaltung". Dem Verwalter als Vertreter und Organ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sind in § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG eigenständige Handlungskompetenzen bezüglich Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung eingeräumt, die von untergeordneter Bedeutung sind und nicht zu erheblichen Verpflichtungen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer führen. Ist diese Grenze überschritten, bedarf es eines Beschlusses der Wohnungseigentümer. Unabhängig hiervon können die Wohnungseigentümer die Befugnisse des Verwalters auch innerhalb der Grenzen des § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG d...

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