Einerseits muss der Grundeigentümer den öffentlichen Erholungsverkehr auf seinen Grundflächen als Ausformung der Sozialpflichtigkeit seines Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG dulden. Andererseits kann diese gesetzliche Duldungspflicht nicht dazu führen, dass er die unabsehbaren Haftungsfolgen nach § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht zu tragen hätte. Eine solche Haftungsfolge würde den Rahmen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums sprengen.

5.1 Haftungsbegrenzung

Deshalb bestimmt § 60 BNatSchG, dass das Betreten der freien Landschaft wie das Betreten des Waldes nach § 14 Abs. 1 Satz 3 BWaldG auf eigene Gefahr erfolgt. Durch die Betretungsbefugnis werden keine zusätzlichen Sorgfalts- oder Verkehrssicherungspflichten für den Grundeigentümer begründet. Es besteht nach dem Gesetzeswortlaut insbesondere keine Haftung für typische, sich aus der Natur ergebende Gefahren.

 
Praxis-Beispiel

Keine Haftung für typische Gefahren

So besteht keine Haftung für typische Gefahren wie niedrig hängende Äste oder Totholz auf Waldwegen, durch Regen aufgeweichte und nicht trittsichere Grundflächen in der freien Landschaft oder ausgeaperte Gebirgspfade, wenn ein Erholungssuchender hierbei einen Unfall erleidet.

 
Praxis-Beispiel

Typische Gefahr

Ein Mountainbiker war bei einer Abfahrt auf einem Waldweg gestürzt und hatte sich schwer verletzt. Zur Hangsicherung waren Holzstämme quer verlegt, die so aufgeschichtet waren, dass sie wie eine Sprungschanze wirkten. Der Mountainbiker erhielt kein Schmerzensgeld. Das Gericht führte dazu aus: Die Anbringung von Abfangungen in Form von Baumstämmen auf Waldwegen ist nicht ungewöhnlich. Ebenso ist nicht ungewöhnlich, dass sich hierdurch auch größere Stufen bzw. Höhen- und Niveauunterschiede im Bodenverlauf ergeben können. Damit muss bei der Nutzung eines Waldweges grundsätzlich gerechnet werden und dieser Situation muss dann die auf eigene Gefahr erfolgende Art der Nutzung angepasst werden. Der Waldbesitzer muss den Weg gerade nicht dagegen sichern, dass er in jeglicher Form gefahrlos benutzt werden kann. Vielmehr muss der Nutzer sein Verhalten im Gegenteil den Gegebenheiten anpassen. Wer daher im Wald mit dem Fahrrad unterwegs ist, hat sich auf solche plötzlich auftretenden Hindernisse einzustellen und muss jederzeit in der Lage sein, sein Fahrrad in der übersehbaren Strecke anzuhalten.[1]

5.2 Beschränkte Haftung für untypische Gefahren

Demgegenüber trägt der Grundeigentümer weiterhin nach den von den Gerichten entwickelten Grundsätzen die Verantwortung für untypische Gefahren, die er durch eigenes Handeln geschaffen hat und die für Erholungssuchende trotz der von ihnen zu erwartenden Aufmerksamkeit nicht zu erkennen sind. Für diese untypischen Gefahren haftet der Grundeigentümer nach Meinung der Gerichte nach den Grundsätzen der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht.

 
Praxis-Beispiel

Untypische Gefahr mit Haftungsfolge

Wenn etwa der Grundeigentümer vor Winterbeginn die Weidezaundrähte von den stehen bleibenden Zaunpfosten einer Sommerweide löst, ohne sie zu sichern und sich diese Drähte im Winter für einen Skifahrer bei Benutzung einer Standardabfahrt über diese Grundstücksfläche als versteckte "Fußangeln" erweisen, die ihn stürzen und sich verletzen lassen, dann ist nach Gerichtsmeinung eine Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht mit Haftungsfolge zu bejahen.[1]

 
Praxis-Beispiel

Untypische Gefahr ohne Haftungsfolge

Veranlasst andererseits ein Waldeigentümer Baumfällarbeiten, in deren Folge ein Baumstamm über einen Waldweg zu liegen kommt und setzt ein Reiter im Sprung mit seinem Pferd über dieses Hindernis, ist er für einen Unfall bei diesem Wagnis selbst verantwortlich. Denn die Gefahr war erkennbar und der Reiter hätte ihr ausweichen können.[2]

 
Achtung

Haftung des Grundeigentümers beschränkt auf untypische Gefahren

Es ist also nicht so, wie viele Grundeigentümer vielleicht befürchten, dass sie ihre dem öffentlichen Erholungsverkehr zugänglichen Grundflächen ständig kontrollieren müssten, um deren gefahrlose Benutzung zu gewährleisten. Vielmehr beschränkt sich ihre Haftung auf von ihnen selbst geschaffene untypische Gefahren, die auch bei der erforderlichen Sorgfalt im freien Gelände für einen Erholungssuchenden nicht erkennbar sind.

[1] So BGH, Urteil v. 22.12.1981, VI ZR 214/80, NJW 1982 S. 762.
[2] So OLG Köln, Urteil v. 21.1.1988, 7 O 152/87, NuR 1988 S. 310.

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