Leitsatz

Grundsätzlich ist es zulässig, in der eigenen Wohnung zu rauchen. Es handelt sich um eine erlaubte und grundsätzlich im privaten Bereich hinzunehmende Ausprägung der Handlungsfreiheit. Ein grundsätzliches Verbot des Rauchens auf dem Balkon oder in einer Wohnung würde die Handlungsfreiheit des rauchenden Miteigentümers unzulässig einschränken.

 

Normenkette

§ 14 Nr. 1 WEG

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer B ist Eigentümer der Wohnung im 3. Obergeschoss, Wohnungseigentümer K ist Eigentümer der darüber liegenden und gleich geschnittenen Wohnung im 4. Obergeschoss. K fordert B auf, sich einvernehmlich über bestimmte Zeiten zu einigen, in denen B Fenster und Türen geschlossen hält und nicht auf dem Balkon raucht. Dazu ist B aber nicht bereit.
  2. Daraufhin erhebt K Klage. Er ist der Auffassung, aus § 14 Nr. 1 WEG folge für B das Gebot, auch beim Rauchen auf K's Belange Rücksicht zu nehmen.

    § 14 WEG (Pflichten des Wohnungseigentümers)

    Jeder Wohnungseigentümer ist verpflichtet:

    1. die im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile so instand zu halten und von diesen sowie von dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst;

    Der von dem Balkon und den Fenstern der Wohnung des B aufsteigende Tabakrauch dringe nicht nur auf seinen Balkon, sondern auch in seine Wohnung, sobald er ein Fenster geöffnet habe. In der Wohnung sei der Tabakrauch deutlich wahrzunehmen. Der Rauch setze sich in der ganzen Wohnung, auch etwa in Teppichen und Polstermöbeln, fest. K beantragt daher, B zu verurteilen, "geeignete Maßnahmen zu treffen", um zu verhindern, dass aus B's Wohnung sowie von dem zu dieser Wohnung gehörenden Balkon Zigarettenrauch in K's Wohnung eindringt.

  3. B hält dem entgegen, er sei tagsüber überwiegend unterwegs. Insoweit könne ein etwaiger Tabakrauchgeruch nicht von ihm stammen. Er rauche auch nicht in dem Umfang, wie von K behauptet. Er bestreitet, dass sein Zigarettenkonsum zu derart erheblichen Immissionen führt, dass K seine Fenster nicht öffnen könne. Es liege lediglich ein durchschnittlicher Zigarettenkonsum vor, der zu keinem erheblichen Nachteil führe.
 

Entscheidung

  1. Die Klage ist teilweise begründet. K habe zwar keinen Anspruch darauf, dass B völlig verhindert, dass Zigarettenrauch aus der Wohnung dringt. K habe jedoch nach §§ 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG einen Anspruch darauf, dass zu bestimmten Zeiten kein Zigarettenrauch aus B's Wohnung in K's Wohnung dringt, sodass dieser lüften kann.
  2. Grundsätzlich sei es zulässig, in der eigenen Wohnung zu rauchen. Rauchen sei ein Verhalten, das im Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit liege und für manche Bürger zum Wohnen "dazu gehöre". Es handle sich um eine erlaubte und grundsätzlich im privaten Bereich hinzunehmende Ausprägung der Handlungsfreiheit. Ein grundsätzliches Verbot des Rauchens auf dem Balkon oder in einer Wohnung würde die Handlungsfreiheit des rauchenden Miteigentümers unzulässig einschränken (Hinweis auf LG München v. 31.7.2008, 1 S 1925/08).
  3. K könne daher nicht verlangen kann, dass überhaupt kein Rauch mehr aus der Wohnung oder von B's Balkon dringe. Dass in einem gewissen Umfang Geruchsimmissionen durch B's Gewohnheiten hervorgerufen werden, sei unvermeidbar. Soweit B aber beanspruche, dass es ihm völlig frei stehe, zu welchen Uhrzeiten er lüfte, nachdem er geraucht hat, oder zu denen er auf seinem Balkon raucht, übersteige dieses Verhalten, das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß. Denn nach § 14 Nr. 1 WEG sei die unverminderte Weitergabe von Zigarettengerüchen an Miteigentümer durch eingeschränktes Lüften zu vermeiden. B sei daher zu verurteilen, geeignete Maßnahmen zu treffen, um zu verhindern, dass aus seiner Wohnung sowie von dem ihm gehörenden Balkon Zigarettenrauch in K's Wohnung dringt, und zwar zu folgenden Zeiten: 23–7 Uhr, 11–13 Uhr und 17–19 Uhr.
 

Kommentar

Anmerkung:

  1. Die Entscheidungen, ob, wann und wie Rauchen im Wohnungseigentum und im Mietrecht zulässig ist, nehmen merklich zu. Das Amtsgericht München trifft dabei im Fall den "richtigen Zungenschlag". Es geht zurzeit nicht um ein "alles oder nichts", sondern um Regeln, wann geraucht werden darf. Denn grundsätzlich darf ein Wohnungseigentümer in seinem Sondereigentum rauchen. Er muss dabei aber vermeidbare und zu vermeidende Nachteile unterlassen. Was gilt, ist dabei eine Frage des Einzelfalls.
  2. Die Wohnungseigentümer können durch Beschluss nach § 15 Abs. 2 WEG oder nach einer Vereinbarung gemäß § 15 Abs. 1 WEG Regelungen zum Rauchen treffen. Jedenfalls nach einer Vereinbarung kann das Rauchen auch verboten werden, soweit es – wie fast immer – außerhalb des Sondereigentums wahrnehmbar ist. Ein entsprechender Beschluss dürfte hingegen in der Regel jedenfalls nicht ordnungsmäßig, wenn auch nicht nichtig sein.

Was ist für den Verwalter wichtig?

Im Fall geht es um das Rauchen im Sondereigentum. Für dieses ist der Verwalter unzuständig. Anders ist es be...

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