Weiteren Räumungsschutz bietet die Bestimmung des § 765a ZPO. Diese ist auf alle Mietverhältnisse anwendbar, bietet also auch dem Geschäftsraummieter Schutz. Allerdings sind die Hürden dieses Vollstreckungsschutzes hoch. Bereits der Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung erfordert, dass "ganz besondere Umstände eine Härte bedeuten, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist". Auf Antrag des Mieters kann also die Räumung einstweilen eingestellt werden, wenn die Räumung für ihn mit gravierenden Gefahren verbunden ist. Konkret sind die Umstände im konkreten Einzelfall zu würdigen. Grob kann man die Fallgruppen, in denen Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO gewährt wird, wie folgt charakterisieren:

Suizidgefahr

Suizidgefahr kann Vollstreckungsschutz grundsätzlich begründen. Ist mit der Zwangsräumung eine konkrete Suizidgefahr für den Mieter verbunden, bedarf es aber stets auch der sorgfältigen Prüfung, ob dieser Gefahr nicht auf andere Weise als durch Einstellung der Räumungsvollstreckung wirksam begegnet werden kann.[1] Hier kommt insbesondere eine Ingewahrsamnahme nach polizeirechtlichen Vorschriften oder die Unterbringung des Mieters oder seines Angehörigen in der Psychiatrie in Betracht. Stets muss aber auch der Mieter selbst alles Zumutbare unternehmen, um entsprechende Risiken auszuschließen oder zu verringern.[2]

Hohes Lebensalter/Gebrechlichkeit

Eine vorläufige Einstellung der Räumungsvollstreckung kann auch wegen altersbedingter geistiger Gebrechlichkeit infrage kommen. So etwa bei einer 99-jährigen Mieterin, die bereits seit 38 Jahren in der Wohnung lebt oder bei einem 81-jährigen Mieter mit ärztlich attestierten Gesundheitsschäden.[3]

Schwerwiegende gesundheitliche Risiken

In die Beurteilung, ob dem Mieter Räumungsschutz zu gewähren ist, sind auch schwerwiegende gesundheitliche Risiken einzubeziehen, die aus einem Wechsel der gewohnten Umgebung resultieren können.[4] Lässt die Zwangsräumung einen nicht abwendbaren schwerwiegenden Eingriff in das Recht des Mieters oder seiner in der Wohnung lebenden Angehörigen auf Leben und/oder körperliche Unversehrtheit befürchten und wiegen Mieterinteressen im konkreten Fall wesentlich schwerer als Vermieterbelange, begründet die Zwangsmaßnahme eine sittenwidrige Härte.[5] Die Räumungsvollstreckung ist dann zumindest zeitweilig einzustellen.[6] In besonders gelagerten Einzelfällen kann zum Schutz des lebensbedrohten oder gesundheitsgefährdeten Mieters auch die Einstellung der Zwangsräumung für einen längeren Zeitraum erfolgen[7], in absoluten Ausnahmefällen gar auf unbegrenzte Zeit.[8]

Schwangerschaft

Räumungsschutz wird selbstverständlich bei unmittelbar bevorstehender Entbindung gewährt.[9] Grundsätzlich ist der Mieterin 6 Wochen vor und 8 Wochen nach dem Entbindungstermin Räumungsschutz zu gewähren.[10] Dies gilt auch unabhängig von diesen zeitlichen Grenzen, wenn die Gefahr einer Fehlgeburt besteht.

Kurzfristiger Ersatzwohnraum

Fehlender Ersatzwohn- oder Geschäftsraum stellt zunächst für sich allein keinen Grund für Räumungsschutz nach § 765a ZPO dar.[11] Räumungsschutz kann in all den Fällen gewährt werden, in denen der Mieter das Mietobjekt ohnehin bereits kurze Zeit nach dem Räumungstermin räumen kann, weil er Ersatzwohn- oder Geschäftsraum gefunden hat. Räumungsschutz kann aber auch über einen längeren Zeitraum gewährt werden, wenn der Mieter bei angespannter Lage auf dem Wohnungsmarkt und unter Einschaltung eines Maklers zwar eine Ersatzwohnung gefunden hat, diese aber erst nach mehreren Monaten beziehen kann[12] oder bis zu deren Bezugsfertigkeit in ein Obdachlosenheim ziehen müsste. Auch bei einer Familie mit 4 schulpflichtigen Kindern kann eine Räumung wenige Wochen vor Schuljahresende eine sittenwidrige Härte darstellen.[13]

Wird andererseits die Anmietung einer Ersatzwohnung verzögert und anschießend auch der Einzug nicht hinreichend betrieben, kann Räumungsschutz nicht verlangt werden.[14]

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