Leitsatz

In wohnungseigentumsgerichtlichen Streitverfahren darf der Verwalter Kostenvorschüsse aus Geldmitteln der gemeinschaftlichen Verwaltung vorfinanzieren

 

Normenkette

§ 16 Abs. 8 WEG

 

Kommentar

  1. Ein Eigentümer hatte die Gemeinschaft bzw. den die Gemeinschaft vertretenden Verwalter auf Unterlassung verklagt, Kostenvorschüsse aus Eigentümerstreitigkeiten weiterhin aus gemeinschaftlichen Mitteln vorzufinanzieren. Seine Klage wurde vom Amtsgericht abgewiesen, seine Berufung blieb ebenfalls ohne Erfolg.
  2. Das bisherige Verwalterhandeln hinsichtlich solcher Kostenvorfinanzierungen ist nicht materiell rechtswidrig; Anspruchsvoraussetzungen wurden vom Kläger auch nicht schlüssig dargelegt.

    Zwar gehören auch Anwaltskosten nicht zu den Kosten der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums "im engeren Sinne", wie sich dies aus § 16 Abs. 8 WEG n.F. ergibt. Gleichwohl lässt sich nicht wegdiskutieren, dass derartige Kosten als Kosten mit eindeutigem Bezug zur Gemeinschaft anfallen können, wenn und soweit die Gemeinschaft an gerichtlichen Verfahren beteiligt ist. Liegt in solchen Verfahren bereits eine gerichtliche Kostenentscheidung vor, sind die angefallenen Kosten zwingend nach dem in der Gerichtsentscheidung ausgeworfenen Schlüssel zu verteilen. Allein dies entspricht dem Sinn der Vorschrift des § 16 Abs. 8 WEG, da jedenfalls die gerichtliche Kostenentscheidung nicht durch den allgemeinen Kostenverteilungsschlüssel innerhalb der Gemeinschaft ausgehebelt werden kann. Sobald also eine gerichtliche Kostenentscheidung existiert, soll diese nach Intention des Gesetzgebers (mit dort geregelten Ausnahmefällen im Fall einer Uneinbringlichkeit) endgültig und verbindlich bleiben. Ist allerdings noch keine gerichtliche Kostenentscheidung ergangen, da eine solche in der Regel erst am Ende eines Verfahrens getroffen wird, ist ein Verwalter grundsätzlich auch dazu berechtigt, anfallende Kostenvorschüsse für das Gericht, für Rechtsanwälte oder Sachverständige vorläufig aus Mitteln der gemeinschaftlichen Verwaltung aufzuwenden, weil dies aus Gründen der Praktikabilität gar nicht anders möglich ist. Sichergestellt sein muss allerdings, dass die abschließende Kostenentscheidung des Gerichts dann durch geeignete Maßnahmen noch umgesetzt wird, etwa des Inhalts, dass verauslagte Kosten nach Verfahrensbeendigung von den/dem Kostenpflichtigen eingefordert werden. Die gegenteilige Auffassung des Klägers würde dazu führen, dass in jedem Streit, in dem Eigentümer oder Gemeinschaft involviert sind, jeweils eine Sonderumlage beschlossen und eingefordert werden müsste, um etwaige Vorschüsse überhaupt finanzieren zu können. Auch die Bildung einer generellen Rücklage für Prozesskosten ist keine Lösungsalternative, weil sich in jedem Verfahren wieder neue Beteiligungsverhältnisse und insbesondere neue Parteizusammenstellungen auf Kläger- und Beklagtenseite ergeben können. Dies wäre völlig unpraktikabel. Damit muss zunächst auch ein Kläger mittelbar zur Vorschussfinanzierung seines Verfahrens mit herangezogen werden. Der Ausgleich erfolgt dann nach Beendigung des Verfahrens.

  3. Im Übrigen stellt es nichts Ungewöhnliches dar, dass im Rahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums einzelne Eigentümer Aufwendungen leisten müssen, obwohl sie persönlich davon gar nicht profitieren und vom Erfolg der mit der Aufwendung finanzierten Maßnahme auch nichts an sie zurückfließt. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein Teil des Gemeinschaftseigentums saniert werden muss, das nur von einem einzigen Eigentümer genutzt wird, etwa im Fall der Erneuerung einer einzelnen Balkonabdichtung. Auch hier sind grundsätzlich alle Eigentümer verpflichtet, sich anteilig nach dem entsprechenden Verteilungsschlüssel an den Kosten der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zu beteiligen, obwohl ihnen diese Instandsetzung überhaupt nicht zugute kommt. Bei Rechtsstreitigkeiten mit Bezug auf die Gemeinschaft ist dies nicht anders.
  4. Zuletzt auch aus Gründen eines nicht schlüssigen Vortrags zum geltend gemachten Unterlassungsanspruch war deshalb die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
  5. Revision wurde nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung habe noch zur höchstrichterlichen Klärung wichtiger Rechtsfragen beitragen könne (§ 543 ZPO).
Anmerkung

Diese zurzeit in der Literatur höchst umstrittene Auffassung des LG Berlin entspricht auch meinem Vortragsergebnis anlässlich der Fischener Fachveranstaltung "Partner im Gespräch" des ESW Deutschland im Oktober 2008 (Abdruck vorgesehen in ZWE 3/2009). Trotz der Neuregelung des § 16 Abs. 8 WEG sollte sich in diesen Finanzierungs- und Abrechnungsfragen von Verfahrenskosten gegenüber bisheriger Praxis nichts ändern. Pikanterweise widersprach allerdings Richterin Kuhla aus einer anderen Berliner Berufungskammer diesem Ergebnis bei ihrem Fischener Vortrag (2008), auch unter Hinweis auf einige Literaturstimmen jüngeren Datums (etwa von M. J. Schmid und Hügel).

Die Revision zum BGH hätte hier m.E. durchaus zugelass...

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