Schenkungen des Erblassers schmälern dessen Vermögen. Um zu verhindern, dass durch Schenkungen das Vermögen des Erblassers zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten geschmälert wird, sieht § 2325 BGB vor, dass neben dem Pflichtteilsanspruch ein sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch besteht, der die lebzeitigen Schenkungen fiktiv in den Nachlass einrechnet. Nach § 2325 Abs. 3 BGB werden nur Schenkungen, die innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall erfolgt sind, in vollem Umfang angerechnet. Für jedes weitere Jahr reduziert sich der Anteil um 1/10, so dass Schenkungen, die im zehnten Jahr vor dem Erbfall stattgefunden haben, nur noch mit 1/10 berücksichtigt werden.

 
Praxis-Beispiel

Der Nachlass der Verstorbenen beträgt am Todestag (1.10.2013) 1.000.000 EUR. Sie hat vier Kinder. Kind 1 hat am 1.9.2006, also vor dem Tod der Erblasserin, 100.000 EUR in bar erhalten. Eine Anrechnung auf den Pflichtteil war von der Erblasserin nicht angeordnet worden.

Kind 2 wurde von der Erblasserin enterbt.

Der Pflichtteilsanspruch von Kind 2 beläuft sich auf 125.000 EUR (gesetzlicher Anspruch 250.000 EUR, hiervon 1/2, mithin 1/8 des Gesamtnachlasses).

Darüber hinaus steht Kind 2 ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zu. Die 2006 erfolgte Zuwendung in Höhe von 100.000 EUR wir nur noch mit 3/10, also 30.000 EUR berücksichtigt, da seit dem 1.9.2006 am Todestag sieben volle Jahre vergangen sind. Der Pflichtteilsanspruch reduziert sich damit auf 1/8 aus 30.000 EUR, so dass er nur noch 3.750 EUR.

2.3.1 Fristberechnung

Bei der schenkungsweisen Übertragung von beweglichen Sachen beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt des vollständigen Eigentumsübergangs. Bei Immobilien beginnt die Frist mit der Eintragung ins Grundbuch, also ebenfalls mit dem tatsächlichen Vollzug der Eigentumsübertragung (BGH, NJW 1988, BGH, ZEV 1996, S. 188).

Sonderregel bei Schenkungen an den Ehegatten

Für Ehegatten gibt es eine Sonderregelung des § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB, wonach die Frist für Schenkungen an den Ehegatten erst mit der Auflösung der Ehe zu laufen beginnt. Trotz der an dieser Sonderregelung geübten Kritik wurde diese Regelung durch die Erbrechtsreform nicht modifiziert. Konkret bedeutet diese Regel, dass bei Ehen, die durch den Tod des Schenkers und Erblassers beendet werden, die Frist für Schenkungen an den Ehegatten erst mit dem Tod zu laufen beginnt. Damit sind sämtliche Schenkungen, die während der Ehezeit erfolgt sind, für den Pflichtteilsergänzungsanspruch heranzuziehen.

 
Praxis-Beispiel

Im obigen Beispiel hatte die Erblasserin die 100.000 EUR nicht Kind 1, sondern ihrem Ehemann geschenkt.

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch von Kind 2 beträgt 1/8 aus 100.000 EUR, da die Zehnjahresfrist erst mit dem Tod der Erblasserin zu laufen begonnen hat. Die Abschmelzung spielt also in diesem Fall keine Rolle.

Eine weitere Besonderheit besteht nach Auffassung des BGH bei Grundstücksschenkungen unter Nießbrauchvorbehalt (BGH, NJW 1994, S. 1791). Hier beginnt die Frist erst mit dem Erlöschen des Nießbrauchs zu laufen. Nießbrauchsvereinbarungen auf die Lebzeit des Schenkers führen daher dazu, dass die zugrunde liegende Schenkung stets innerhalb des Zehnjahreszeitraums erfolgt ist, da sie aufgrund der Fiktion erst mit dem Tod des Schenkers erfolgt ist.

 
Praxis-Beispiel

Der Erblasser schenkt Kind 1 eine Eigentumswohnung. Kind 2 erhält das Wohnhaus des Erblassers, der sich hierin aber das Wohnrecht vorbehält. Der Erblasser verstirbt, kurz nachdem die Zehnjahresfrist für beide Zuwendungen verstrichen ist.

Die Zuwendung an Kind 1 fand nach verstreichen des Zehnjahreszeitraums statt, so dass eine Pflichtteilsergänzung hierauf nicht gestützt werden kann. Die Zuwendung an Kind 2 dagegen erfolgt fiktiv erst mit dem Wegfall des Nießbrauchs, mithin mit dem Tod des Erblassers. Damit ist die an Kind 2 erfolgte Zuwendung voll in die Pflichtteilsergänzungsansprüche einzurechnen.

Diese Ungleichbehandlung hat das Erbrechtsreformgesetz auch nicht behoben.

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