Leitsatz

Die Pflegeeltern zweier minderjähriger Kinder, denen Teilbereiche der elterlichen Sorge übertragen worden waren, machten gegenüber der Staatskasse für die Übernahme der Pflegschaft für beide Kinder eine Aufwandsentschädigung geltend.

 

Sachverhalt

Die Beteiligten zu 1) und 2) waren seit dem Jahre 1998 Pflegeeltern zweier minderjähriger Kinder, deren Mutter personensorgeberechtigt war. Durch Beschluss des FamG Nagold vom 12.5.2003 wurde ihnen mit Zustimmung der sorgeberechtigten Mutter gem. § 1630 Abs. 3 BGB die elterliche Sorge betreffend Aufenthaltsbestimmungsrecht, Recht der Gesundheitsfürsorge und das Recht zur Bestimmung von schulischen Angelegenheiten übertragen. Dieser Beschluss wurde kurz später ergänzt um das Recht auf Antragstellung von öffentlichen Mitteln. Während des Verfahrens waren die Beteiligten zu 1) und 2) mit den Kindern nach Bielefeld verzogen.

Mit Schreiben vom 27.4.2005 beantragten sie beim FamG Nagold für die Zeit vom 12.5.2004 bis zum 12.5.2005 die Zahlung einer Aufwandsentschädigung wegen der Übernahme der Pflegschaft für beide Kinder. Das FamG Nagold hielt sich für unzuständig und übersandte die Anträge zuständigkeitshalber gem. § 36 FGG an das AG - Vormundschaftsgericht - Bielefeld, das nach Einholung von Stellungnahme des Bezirksrevisors beim LG Bielefeld, wonach für die Zahlung einer pauschalen Aufwandsentschädigung eine Rechtsgrundlage fehlte, die Akten an das AG - Vormundschaftsgericht - Nagold zurücksandte, da eine Pflegschaft i.S.d. Vormundschaftsrechts nicht vorliege.

Sodann wies der Rechtspfleger des AG - FamG - Nagold die Anträge der Beteiligten zu 1) und 2) auf Bewilligung einer Aufwandsentschädigung kostenpflichtig zurück, weil durch die Übertragung von Angelegenheiten der elterlichen Sorge die Beteiligten zu 1) und 2) nicht Pfleger i.S.d. Vormundschaftsrechts geworden seien und die Zahlung einer pauschalen Aufwandsentschädigung mangels Rechtsgrundlage daher nicht Betracht komme.

Gegen diesen Beschluss haben die Beteiligten zu 1) und 2) Rechtsmittel eingelegt unter Hinweis darauf, dass § 1630 Abs. 3 BGB ausdrücklich auf die vormundschaftsrechtlichen Vorschriften verweise. Der Rechtspfleger des AG Nagold hat die Akten ohne Abhilfe dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.

Das OLG Stuttgart wies die sofortige Beschwerde der Beteiligten im Hinblick auf die örtliche Unzuständigkeit des FamG Nagold zurück.

 

Entscheidung

Das OLG führt zunächst aus, dass die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) allein wegen der örtlichen Unzuständigkeit des AG Nagold erfolglos bleiben müsse.

Unabhängig davon könne den Beteiligten zu 1) und 2) ein Anspruch auf Zahlung einer Aufwandsentschädigung gegen die Staatskasse nach § 1630 Abs. 3 S. 3 BGB i.V.m. § 1835a Abs. 1, Abs. 3 BGB zustehen, da sie durch Beschluss des AG - FamG - Nagold vom 12.5.2003 im Umfang der Übertragung die Rechte und Pflichten eines Pflegers erhalten hatten. Unklar sei die Art der Rechtsfolgen der Übertragung und auch im Gesetz nicht näher geregelt.

Nach § 1630 Abs. 3 S. 3 BGB erhält die Pflegeperson lediglich die Rechte und Pflichten eines Pflegers. Aus dem Gesetzeswortlaut ist nicht zu entnehmen, dass diese Person zum Pfleger bestellt oder eine Pflegschaft angeordnet wird. Die Pflegepersonen erhalten durch die Übertragung von Angelegenheiten der elterlichen Sorge nach § 1630 Abs. 3 BGB nicht die förmliche Stellung eines Pflegers. Dem Charakter einer förmlichen Pflegschaft steht bei einer Übertragung von Angelegenheiten der elterlichen Sorge neben dem Gesetzeswortlaut entgegen, dass diese Übertragung nur auf Antrag geschickt, über den das FamG nicht hinausgehen kann. Im Übrigen kann die Übertragung nur mit Zustimmung aller sorgeberechtigten Elternteile und damit nur freiwillig erfolgen. Demzufolge muss die Übertragung aufgehoben werden, wenn die Eltern ihre Zustimmung zurücknehmen, was jederzeit möglich ist.

Die Pflegepersonen müssen nicht nach § 1787 BGB verpflichtet werden, da durch die Übertragung von Angelegenheiten der elterlichen Sorge eine Pflegschaft i.S.d. Vormundschaftsrechts nicht entsteht. § 1630 Abs. 3 S. 3 BGB führt danach zu einer entsprechenden Anwendung der Vorschriften über die Rechte und Pflichten eines Pflegers, soweit diese nicht gerade die förmliche Stellung des Pflegers betreffen. Es ist daher für jede einzelne Norm des Pflegschafts- und Vormundschaftsrechts, soweit auf diese verwiesen wird, zu prüfen, ob sie die Rechte und Pflichten eines Pflegers betrifft und mit der Stellung eines nicht zwangsweise durch das Gericht, sondern lediglich vom Gericht mit Zustimmung der sorgeberechtigten Eltern und der Pflegeperson Beauftragten im Einklang steht.

Danach steht Pflegepersonen gem. §§ 1630 Abs. 3 S. 3, 1915 Abs. 1, 1835a BGB ein Anspruch auf Aufwendungsersatz zu. Im Umfang der Übertragung hat die Pflegeperson nicht nur die Pflichten, sondern auch die Rechte eines Pflegers. Dies gilt auch für den Anspruch auf Aufwendungsersatz oder Vergütung. Weder aus dem Gesetzeswortlaut des § 1630 Abs. 3 BGB ...

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