Zusammenfassung

 
Überblick

Die Gartengestaltung benachbarter Grundstücke gibt immer wieder Anlass für Nachbarstreitigkeiten. Zwar lieben alle die Natur – aber jeder auf seine Weise. Der eine pflanzt auf seinem Grundstück Laubbäume und Sträucher oder legt einen sog. Ökogarten an, um ein Refugium für die Tier- und vor allem die Vogelwelt zu schaffen und sich an selbst geernteten Früchten zu erfreuen. Für den anderen besteht ein Hausgarten aus einer Thujahecke und kurzgeschorenem Rasen, bei dem jedes Blatt von Nachbars Laubbäumen stört, herüber gewehter Unkrautsamen eine kleine Katastrophe ist und der Schatten grenznaher Bäume nur beim Sonnenbaden stört.

Kein Wunder also, wenn sich Nachbarn wegen des Pflanzenbewuchses auf ihren Grundstücken ins Gehege kommen.

1 Grundsätze

Im Grunde genommen stellt es keinen Eingriff in die Rechte des Nachbarn dar, wenn jemand auf seinem Grundstück Bäume, Sträucher oder Hecken anpflanzt, eine bunte Wiese anstelle eines gepflegten Rasens ansät oder gegen einen natürlich gewachsenen Pflanzenbestand auf seinem Grundstück nichts unternimmt. Hierzu ist er als Grundstückseigentümer aus eigenem Recht und als Grundstücksbesitzer (Mieter oder Pächter) aus vom Eigentümer abgeleitetem Recht nach § 903 BGB befugt, so weit nicht das Gesetz (vor allem die Grenzabstandsregelungen für Bäume, Sträucher und Hecken in den Landesnachbarrechtsgesetzen) oder Rechte Dritter (aus Vertrag oder Grunddienstbarkeit) entgegenstehen.

Hinzu kommt, dass das allgemeine Umweltbewusstsein einen Konsens dahin bewirkt hat, die Natur in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen zu schützen und zu bewahren sowie bereits eingetretene Schäden des Naturhaushalts weitestgehend wieder rückgängig zu machen. Vor allem die Erhaltung der innerstädtischen Grünbestände liegt im öffentlichen Interesse.

Ökologische Bedeutung der Grünbestände

Dies gilt in besonderem Maße für die Erhaltung des Baumbestands. Ein Baum, der als Sauerstofflieferant etwa 1200 Liter Sauerstoff in der Stunde erzeugt, als Luftbefeuchter rd. 400 Liter Wasser pro Tag produziert, als Entgaser rd. 2,4 kg Kohlendioxid in der Stunde abbaut und der darüber hinaus noch als Kühlaggregat, Windbremser und Schallisolierer wirkt, hat nach der Rechtsprechung gerade (aber nicht nur) in einer Großstadt nicht nur eine das gemeinschaftliche Leben fördernde soziale Funktion, sondern er übernimmt schon eine nahezu lebenserhaltende Aufgabe, die bei der gerichtlichen Würdigung der von Bäumen ausgehenden Störungen (in der Regel zum Nachteil des Gestörten) in die Wertung einbezogen wird.[1]

Baumschutzsatzungen und -verordnungen

Diese besondere ökologische Bedeutung von Bäumen, die entsprechend auch für Sträucher gilt, ist auch die sachliche Rechtfertigung für Baumschutzsatzungen bzw. Baumschutzverordnungen, nach deren Vorgaben Grundstückseigentümer zum Erhalt des Baum- und Strauchbestands auf ihren Grundstücken nicht nur nach Maßgabe des § 903 BGB berechtigt sind, sondern darüber hinaus sogar rechtlich verpflichtet sein können (siehe hierzu ausführlich Kap. 2).

Begrünung von Grundstücken als Wertfaktor

Schließlich hat der allgemeine Bewusstseinswandel im Verhältnis zur natürlichen Umwelt auch dazu geführt, dass die Begrünung der Umgebung in die Bewertung von Grundstücken eingeflossen ist. So wird jedenfalls in heutiger Zeit das konkrete Umfeld eines Hausgrundstücks dann als besonders wertvoll erachtet, wenn es unmittelbar an Grünanlagen oder begrünte Grundstücke angrenzt. Dem entspricht es, dass Grundstücke in derartiger Lage begehrter sind, als ähnliche im sonstigen Stadtbereich und dass deshalb für solche Grundstücke höhere Preise erzielt werden können.

Diesem Gesichtspunkt wird von der Rechtsprechung bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Beeinträchtigungen durch den Pflanzenbewuchs auf Nachbargrundstücken nach dem Motto Rechnung getragen, dass derjenige, der aus seiner begrünten Umgebung Vorteile zieht, auch gewisse damit verbundene Nachteile etwa durch Laubfall hinzunehmen hat.[2]

Etwas anderes kann gelten, wenn ein Nachbar bei Anpflanzung von Bäumen gegen die einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen über den Grenzabstand verstoßen hat und sich die Nutzung des störenden Grundstücks deshalb nicht mehr im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung hält.[3] Auch wenn die Ansprüche des klagenden Nachbarn auf Beseitigung der Bäume z. B. wegen der regelmäßig wegen den Nachbargesetzen vorgesehenen Verjährungsfristen nicht mehr durchgesetzt werden können, hat dies nicht zur Folge, dass der Bewuchs dann ordnungsgemäßer Bewirtschaftung entspricht. Dem Nachbarn, der von dem Eigentümer von Bäumen, die den landesrechtlich vorgeschriebenen Grenzabstand nicht einhalten, deren Beseitigung oder Zurückschneiden wegen des Ablaufs der dafür in dem Landesnachbarrecht vorgesehenen Ausschlussfrist nicht mehr verlangen kann, kann in Extremfällen für den erhöhten Reinigungsaufwand infolge des Abfallens von Laub, Nadeln, Blüten und Zapfen dieser Bäume ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 903 Abs. 2 BGB analog zustehen.[4]

[1]...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge