Leitsatz

  1. Die Prüfung des Verfahrens, das zum Erlass der Entscheidung 2000/186/EG des Rates vom 28. 2. 2000 zur Ermächtigung der Bundesrepublik Deutschland, von den Art. 6 und 17 der 6. EG-Richtlinie abweichende Regelungen anzuwenden, geführt hat, hat keinen Mangel erkennen lassen, der die Gültigkeit dieser Entscheidung beeinträchtigen könnte.
  2. Art. 3 der Entscheidung 2000/186 ist ungültig, soweit er die rückwirkende Geltung der Ermächtigung der Bundesrepublik Deutschland durch den Rat der Europäischen Union ab dem 1. 4. 1999 vorsieht.
  3. Art. 2 der Entscheidung 2000/186 entspricht den inhaltlichen Anforderungen des Art. 27 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie … und ist nicht ungültig.
 

Problematik

Ein Unternehmer (Herr Sudholz) hatte im April 1999 einen Pkw erworben und seinem Unternehmen, einem Malerbetrieb, zugeordnet. Der PKW wurde zu 70 % unternehmerisch und zu 30 % privat genutzt. Er machte den vollen Vorsteuerabzug aus der Anschaffung geltend und hielt die auf den 1.4.1999 rückwirkende Beschränkung des Vorsteuerabzugs bei Fahrzeugen auf 50% (§ 15 Abs. 1b UStG) für unzulässig. Diese rückwirkende Begrenzung durch den deutschen Gesetzgeber beruhte auf einer Ausnahme-Ermächtigung des Rates der EU v. 28.2.2000 (veröffentlicht am 4.3.2000; 2000/186/EG). Im Revisionsverfahren legte der BFH wegen Zweifeln an der Wirksamkeit der Ermächtigung die Sache dem EuGH vor[1].

Die jetzt vorliegende Entscheidung des EuGH bedeutet, dass die Ermächtigung zur pauschalen 50 %-Begrenzung des Vorsteuerabzugs inhaltlich gültig ist, weil sie wegen der Ziele (Vereinfachung der Steuererhebung und Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -umgehung) nach Auffassung des EuGH auch nicht unverhältnismäßig ist. Ausdrücklich lehnt der EuGH den Standpunkt der EU-Kommission ab, dass jeder Steuerpflichtige, der eine Nutzung zu mehr als 50 % nachweisen könne, das Recht auf den entsprechenden Vorsteuerabzug haben müsse. Die Ermächtigung ist dagegen nur für den Zeitraum nach der Veröffentlichung der Ermächtigung gültig; sie ist somit ungültig für den Zeitraum vom 1.4.1999 bis zum 4.3.2000.

 

Konsequenzen für die Praxis

Der deutsche Gesetzgeber hat § 15 Abs. 1b UStG (50 %-Begrenzung) mit Wirkung vom 1.1. 2004aufgehoben. Für ab diesem Zeitraum angeschaffte PKW hat das EuGH-Urteil keine Auswirkung.

Als Folge des Urteils ist aber zu prüfen, in welchen Zeiträumen Fahrzeuge erworben wurden und ob die entsprechenden Umsatzsteuerfestsetzungen noch nicht bestandskräftig sind (vgl. dazu ausführlich auch Geschäftswagen des Unternehmers).

Fahrzeuge, die ab 1.1.2004 erworben wurden: Für Fahrzeuge, die ab diesem Zeitpunkt erworben wurden, gilt wieder der volle Vorsteuerabzug mit den bekannten Nachweisstreitigkeiten über die Höhe des nichtunternehmerischen Nutzungsanteils und dessen Besteuerung nach § 3 Abs. 9a UStG (Fahrtenbuch, 1-%-Regelung u.Ä, vgl. Geschäftswagen des Unternehmers). Wird der PKW zu mindestens 10 % unternehmerisch genutzt (Zuordnungs-Grenze des § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG), kann also auch bei unternehmerischer Nutzung unter 50 % der volle Vorsteuerabzug geltend gemacht werden.

Fahrzeuge, die vom 1.1.2003 bis zum 31.12.2003 erworben wurden: Die EU-Ermächtigung v. 28.2.2000 war zum 31.12.2002 abgelaufen. Für die Begrenzung des Vorsteuerabzugs durch § 15 Abs. 1b UStG, der erst ab 1.1.2004 beseitigt wurde, fehlt ab dem 1.1.2003 somit die gemeinschaftsrechtliche Ermächtigung. Unternehmer, die Fahrzeuge in dieser Zeit erworben haben, können sich auf das Gemeinschaftsrecht berufen. Das macht (für noch nicht bestandskräftige Fälle) im Wesentlichen nur Sinn, wenn ein höherer unternehmerischer Nutzungsanteil als 50 % nachgewiesen werden kann. Es gelten dann der volle Vorsteuerabzug und die erwähnten Nachweispflichten.

Fahrzeuge, die vom 1.4.1999 bis zum 4.3.2000 erworben wurden: Die am 4.3.2000 veröffentlichte Ermächtigungsentscheidung des Rates v. 28.2.2000 ist ungültig, soweit sie die rückwirkende Geltung ab dem 1.4.1999 vorsieht. Gültig ist sie also grundsätzlich mit ihrer Bekanntgabe. Für die in dieser Zwischenzeit erworbenen Fahrzeuge gilt die Vorsteuerbegrenzung nicht (auch die Wirkungserklärung in § 27 Abs. 5 UStG 1999 gilt insoweit nicht). Für den Vorsteuerabzug auf Erwerb, Nutzung usw. dieser Fahrzeuge gilt die allgemeine Regelung (wie fakultativ ab dem 1.1.2003 und zwingend ab dem 1.1.2004).

Die Ungültigkeit wirkt aber grundsätzlich nur zugunsten des Steuerpflichtigen, der die Umsatzsteuerfestsetzung für 1999 bzw. 2000 angefochten und damit "offen" gehalten hat. Bei bestandskräftigen (unanfechtbaren) und nicht mehr änderbaren Steuerbescheiden 1999/2000 (die z. B. nicht gem. § 164 AO unter Vorbehalt der Nachprüfung stehen), bleibt es bei der Anwendung des § 15 Abs. 1b UStG.

Fahrzeuge, die nach dem 4.3.2000 bis zum 31.12.2002 erworben wurden: Für diesen Zeitraum ist die EU-Ratsermächtigung und damit auch § 15 Abs. 1b UStG gültig. Die Vorsteuerabzugsbegrenzung auf 50 % gilt in allen (noch offenen) Fällen - also auch, wenn der Unternehmer nachweisen kann, dass sein unterne...

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