Leitsatz (amtlich)

1. Die in den §§ 6 Abs. 1, 52 Abs. 1 LVO NRW festgelegte Höchstaltersgrenze von 35 Jahren für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe ist mit dem Verbot der Altersdiskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sowie der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 vereinbar.

2. Dem Gesetz- beziehungsweise Verordnungsgeber steht bei der Bestimmung der Ausnahmen von dem Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 10 AGG, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2000/78/EG) im Zusammenhang mit der Beurteilung der Angemessenheit des gewählten Mittels in Relation zu dem damit verfolgten Zweck ein Gestaltungsspielraum zu.

3. Die für die Erteilung einer Ausnahme nach § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO NRW in Verbindung mit dem Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung – Z B 1 22/03 – 1157/95 – vom 18.12.1995 geforderte Kausalität des Zivildienstes für die verzögerte Einstellung ist unterbrochen, wenn nach der Zeit des Zivildienstes andere vom Bewerber zu vertretende Umstände beziehungsweise vermeidbare Verzögerungen die Einstellung hinausgeschoben haben.

4. Die auf dem Runderlass des Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung – 121-22/03 Nr. 1050/00 – vom 22.12.2000 beruhende Verwaltungspraxis, eine Ausnahme von der Höchstaltersgrenze nach § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO NRW nur bei Bewerbern zuzulassen, die über eine Lehramtsbefähigung in einem der so genannten Mangelfächer verfügen, ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

5. Es besteht keine Verpflichtung des Dienstherrn, noch im Vorbereitungsdienst befindliche Bewerber rechtzeitig vor Erreichen der Höchstaltersgrenze auf die Regelung des § 84 Abs. 1 Satz 2 LVO NRW hinzuweisen.

 

Verfahrensgang

VG Gelsenkirchen (Urteil vom 24.08.2005; Aktenzeichen 1 K 2629/01)

 

Nachgehend

BVerwG (Urteil vom 18.05.2009; Aktenzeichen 2 C 67.08)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der am 17. Juni 1965 geborene Kläger absolvierte nach der mittleren Reife im Jahr 1982 zunächst eine Ausbildung zum Zentralheizungs- und Lüftungsbauer und legte am 29. Juli 1985 die Gesellenprüfung ab. Anschließend war er zwei Monate als Facharbeiter tätig.

Vom 4. November 1985 bis zum 30. Juni 1987 leistete er seinen 20-monatigen Zivildienst ab. Danach besuchte er ab August 1987 das Bischöfliche Institut zur Erlangung der Hochschulreife in N… (P…-Kolleg) und erwarb am 8. Juni 1990 die Allgemeine Hochschulreife.

Zum Wintersemester 1990/91 nahm er zunächst ein Biologiestudium an der Universität N… auf. Zum Wintersemester 1991/92 wechselte er an die Universität E… und begann das Lehramtsstudium für Sonderpädagogik. Am 9. Dezember 1997 legte er die Erste Staatsprüfung für das Lehramt für Sonderpädagogik ab. Danach war er nochmals drei Monate als Facharbeiter tätig und schloss von März 1998 bis Januar 1999 einen Auslandsaufenthalt mit Sprachkurs in Mittel- und Südamerika an.

Am 1. Februar 1999 begann er seinen Vorbereitungsdienst und legte am 29. November 2000 die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt für Sonderpädagogik ab.

Auf seine Bewerbung vom 18. Dezember 2000 wurde der Kläger mit Wirkung vom 1. Februar 2001 auf unbestimmte Zeit als Lehrer im Angestelltenverhältnis in den Schuldienst des beklagten Landes eingestellt und an der Westfälischen Schule für Körperbehinderte in C… eingesetzt.

Mit Schreiben vom 24. Februar 2001 beantragte der Kläger seine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe. Er habe zwar die Höchstaltersgrenze von 35 Jahren überschritten, jedoch müsse zu seinen Gunsten die Ausnahme des § 84 Abs. 1 Satz 2 LVO NRW greifen. Wäre ihm diese Regelung bekannt gewesen, hätte er schon während des Vorbereitungsdienstes, rechtzeitig vor Vollendung des 35. Lebensjahrs einen Antrag auf Verbeamtung gestellt und wäre seine Einstellung innerhalb eines Jahres nach Antragstellung erfolgt. Außerdem müsse ihm die Ausnahme des Runderlasses des Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung – 121-22/03 Nr. 1050/00 – vom 22. Dezember 2000 (sogenannter Mangelfacherlass) zu Gute kommen, da er bereits jetzt das Mangelfach Technik unterrichte und zur Weiterbildung in diesem Fach oder einem anderen Mangelfach bereit sei.

Mit Bescheid vom 27. März 2001 lehnte die Bezirksregierung B… den Antrag ab. Eine Ausnahme nach § 84 Abs. 1 Satz 2 LVO NRW scheide aus, weil der Kläger die Höchstaltersgrenze auch schon im Zeitpunkt seiner Bewerbung am 20. Dezember 2000 überschritten gehabt habe. Eine Ausnahme nach dem Mangelfacherlass komme nicht in Betracht, da er nicht die dafür erforderliche Lehramtsbefähigung für die Sekundarstufe I oder II an allgemeinbildenden Schulen in einem Mangelfach aufwe...

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