Leitsatz (amtlich)

1. Verfügt jemand über eine weitere Wohnung, ohne dass diese tatsächlich genutzt wird, beurteilt sich die Frage, ob er sie zur persönlichen Wohnnutzung und damit zu die Zweitwohnungssteuerpflicht auslösenden Zwecken vorhält, nach der subjektiv getroffenen Zweckbestimmung. Diese innere Tatsache ist aus den Umständen des objektiven Sachverhalts zu ermitteln.

2. Wird die weitere Wohnung nicht durch Vermietung zur Gewinnerzielung genutzt, so folgt daraus nicht zwingend der Rückschluss, dass sie persönlichen Wohnzwecken diene.

3. Wird die weitere Wohnung über Jahre hinweg vom Verfügungsberechtigten weder für sich noch für seine Familienangehörigen tatsächlich zu Wohnzwecken genutzt, so lässt dies darauf schließen, dass die Wohnung nicht zur persönlichen Wohnnutzung vorgehalten wird.

4. Der Aufwand, der für eine erst in künftigen Steuerzeiträumen beabsichtigte Wohnnutzung zu persönlichen Zwecken erbracht wird, rechtfertigt nicht die Erhebung von Zweitwohnungssteuer.

5. Ist die Beitreibung einer durch bestandskräftigen Verwaltungsakt festgesetzten Geldforderung wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben unzulässig, so kann entgegen § 7 Abs. 2 Satz 1 VwVG NRW einstweiliger Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO dahin gewährt werden, dass die Vollstreckung aus dem Verwaltungsakt einstweilen untersagt wird.

 

Normenkette

VwVG NRW § 7 Abs. 2 S. 1; VwGO § 123 Abs. 1; GG Art. 105 Abs. 2a; BGB § 242; ZPO §§ 767, 769

 

Verfahrensgang

VG Aachen (Aktenzeichen 7 L 747/99)

 

Gründe

1. Soweit der Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung der Zweitwohnungssteuer für die Jahre 1996, 1998 und 1999 beantragt, richtet sich der einstweilige Rechtsschutz nach § 80 VwGO, denn die entsprechenden Steuerbescheide sind noch nicht bestandskräftig, vielmehr durch Klage (1996) bzw. nicht beschiedene Widersprüche (1998 und 1999) angegriffen.

Die Voraussetzungen für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Rechtsbehelfe bzw. Rechtsmittel nach § 80 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 VwGO liegen vor, denn es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Heranziehung des Antragstellers zur Zweitwohnungssteuer wegen des Hauses „B.-Straße”. Es spricht nämlich nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Überprüfung die überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Antragsteller den für die Erhebung der Zweitwohnungssteuer maßgeblichen Steuertatbestand in dem für das Verfahren bedeutsamen Zeitraum nicht erfüllt hat.

Nach § 2 Abs. 1 der Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in der Gemeinde H. vom 25.6.1991 (ZWStS) ist Gegenstand der Steuer das Innehaben einer Zweitwohnung im Gemeindegebiet. § 2 Abs. 2 ZWStS definiert die Zweitwohnung wie folgt:

„Eine Zweitwohnung ist jede Wohnung, die jemand neben seiner Hauptwohnung für seinen persönlichen Lebensbedarf oder den persönlichen Lebensbedarf seiner Familienmitglieder innehat. Eine Wohnung verliert die Eigenschaft einer Zweitwohnung nicht dadurch, dass sie vorübergehend anders genutzt wird.”

Der Antragsgegner hat – ausweislich seines das Jahr 1996 betreffenden Widerspruchsbescheides vom 30.4.1999 – angenommen, dass diese Voraussetzungen vorliegen, weil der Antragsteller in dem streitigen Zeitraum die Verfügungsgewalt und damit die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit gehabt habe, das Haus zu nutzen, und nicht nachgewiesen habe, dass das Haus ausschließlich der Vermietung an Feriengäste gedient habe. Auch sei eine entsprechende Gewerbeanmeldung nicht erfolgt.

Diese Bewertung ist im rechtlichen Ansatz unzutreffend.

Nach § 2 Abs. 2 ZWStS setzt die Qualifizierung einer Wohnung als Zweitwohnung voraus, dass sie dem „persönlichen Lebensbedarf” dient. Dies deckt sich mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer als Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG. Denn Aufwandsteuern erfassen (nur) den besonderen, über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehenden Aufwand für die persönliche Lebensführung; sie besteuern also die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 6.12.1983 – 2 BvR 1275/79 –, NJW 1984, 785 = DVBl 1984, 216 = DÖV 1984, 246, BVerfGE 65, 325; Beschluss vom 29.6.1995 – 1 BvR 1800/94, 1 BvR 2480/94 –, NVwZ 1996, 57 = ZMR 1995, 499 = ZKF 1995, 204; BVerwG, Urteil vom 10.10.1995 – 8 C 40.93 –, DVBl 1996, 374 = DÖV 1996, 289 = HSGZ 1996, 74.

Hieraus folgt zwingend, dass die durch die tatsächliche und rechtliche Verfügungsmacht begründete objektive Möglichkeit, eine weitere Wohnung neben der Hauptwohnung zu nutzen, nicht ausreicht, die Erhebung einer Aufwandsteuer zu rechtfertigen. Erforderlich ist vielmehr, dass diese Nutzungsmöglichkeit und der dafür betriebene Aufwand der Deckung persönlicher Lebensbedürfnisse dienen. Entsprechend dem Wesen der Zweitwohnungssteuer handelt es sich dabei um das Lebensbedürfnis „Wohnen”.

Vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 29.11.1995 – 22 A 210/95 –, DAR 1996, 72 = NWVBl....

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