Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen eines Anspruchs des Nachbarn einer Gaststätte auf Verlängerung der Sperrzeit zum Schutz vor unzumutbaren nächtlichen Lärmbelästigungen infolge des Gaststättenbetriebs

 

Leitsatz (amtlich)

Steht fest, dass die Gäste einer Gaststätte durch lärmendes Verhalten beim nächtlichen Aufsuchen bzw. Verlassen der Gaststätte in Erscheinung treten, so sind die entsprechenden Lärmimmissionen der Gaststätte als Betriebsgeräusche zuzurechnen.

Überschreiten die Betriebsgeräusche unter Berücksichtigung der besonderen Störintensität der durch die Gäste verursachten Außengeräusche die Grenze des den Anwohnern nach dem Gebietscharakter Zumutbaren, kann dies nach den §§ 18 GastG, 19 GastVO Anlass für eine Verlängerung der Sperrzeit geben.

Im Einzelfall kann das gaststättenbehördliche Ermessen mangels effektiver Einschreitensmöglichkeiten im Wege der Anordnung von Auflagen nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG darauf reduziert sein, den Beginn der Sperrzeit soweit vorzuverlegen, wie dies in der konkreten rechtlichen Konstellation – insbesondere unter Berücksichtigung der zulässigen Betriebsart und der Bindungswirkung einer die Nutzung der Gaststätte zu Diskothekenzwecken erlaubenden Baugenehmigung – zulässig ist.

 

Normenkette

GastG §§ 18, 15 Abs. 3 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 3; GastVO §§ 19, 17; GewO § 15 Abs. 2 S. 1, § 35 Abs. 1 S. 1; BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2, § 6 Abs. 1-2, § 4; BImSchG § 22 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

VG des Saarlandes (Urteil vom 06.10.2005; Aktenzeichen 1 K 44/04)

 

Tenor

Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 6. Oktober 2005 – 1 K 44/04 – wird der Beklagte verpflichtet, den Beginn der Sperrzeit für die Gaststätte „S”, S-straße 4, C-Stadt, in den Nächten von Freitag auf Samstag und Samstag auf Sonntag auf 1.00 Uhr vorzuverlegen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Verfahrens tragen die Kläger – insoweit gesamtschuldnerisch –, der Beklagte und der Beigeladene jeweils zu einem Drittel; ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten jeweils selbst.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger erstreben mit der Behauptung unzumutbarer nächtlicher Lärmbelästigungen infolge des Betriebs der Gaststätte „S”, S-straße 4 in C-Stadt, und dort an Wochenenden stattfindender Diskothekenveranstaltungen ein gaststättenbehördliches Einschreiten des Beklagten.

Dem Grundstückseigentümer, der die Gaststätte an den Beigeladenen verpachtet hat, war durch Bauschein vom 22.11.1979 hinsichtlich des Anwesens S-straße 4 unter Bezeichnung des Baugebiets als Mischgebiet eine Nutzungsänderung in Gestalt des Einbaus einer Diskothek im 1. Obergeschoss genehmigt worden. Beiblatt Nr. 1 zum Bauschein erhält unter Ziffer 2 folgende Regelung: „Die Diskothek muss so eingerichtet und betrieben werden, dass für die Bewohner der benachbarten Wohnhäuser keine unzumutbare Lärmbelästigung entsteht. Im Falle berechtigter Nachbarbeschwerden muss mit besonderen Auflagen hinsichtlich des Schallschutzes gerechnet werden.”

In der Folgezeit erteilte der Beklagte verschiedenen Gaststättenbetreibern eine den Diskothekenbetrieb jeweils umfassende Gaststättenerlaubnis. Der Inhaber der letzten den Diskotheken- bzw. Tanzbetrieb umfassenden Konzession stellte seine Tätigkeit am 31.3.1990 ein. Am 26.4.1991 und am 30.12.1996 wurde weiteren Vorgängern des Beigeladenen jeweils die Erlaubnis zum Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft erteilt, wobei der für den Diskothekenbetrieb hergerichtete Raum im 1. Obergeschoss antragsgemäß als Nebenraum ohne besondere Nutzungsart aufgeführt wurde. Vom 1.1.1998 bis zum 19.4.2000 war die Gaststätte geschlossen.

Dem Beigeladenen wurde durch Erlaubnisurkunde des Beklagten vom 20.4.2000 die gaststättenrechtliche Erlaubnis zum Betreiben einer Schank- und Speisewirtschaft in besagtem Anwesen erteilt, wobei die Zweckbestimmung der einzelnen Schank- und Speiseräume als „Gastraum” beziehungsweise „Nebenzimmer” umschrieben wurde. Den diesbezüglichen Angaben des Beigeladenen in dessen Erlaubnisantrag folgend wurden weder eine besondere Betriebsart noch Besonderheiten für bestimmte Räume festgesetzt.

Am 11.5.2000 beantragte der Beigeladene beim Beklagten, den Beginn der Sperrzeit für die Nächte von Samstag auf Sonntag auf 3.00 Uhr hinauszuschieben, da er beabsichtige, in dem vorhandenen Nebenraum Tanzveranstaltungen durchzuführen. Der Beklagte legte den Antrag der Kreispolizeibehörde des Landkreises G-Stadt mit dem Bemerken vor, er halte die begehrte Sperrzeitverkürzung im Interesse der ruhebedürftigen Bevölkerung für bedenklich, weil es während des Betriebs der Gaststätte durch den Vorbesitzer häufig auch bei Einhaltung der Sperrstunde von 1.00 Uhr zu Beschwerden aus der Nachbarschaft gekommen sei und das An- und Abfahren von Pkw's erhebliche Lärmbelästigungen während der Nachtruhe verursache. Nach Aktenlage wurde der Antrag nicht beschieden, wohl...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge