Nicht unter die Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung fallen solche, die ausschließlich Einzelinteressen dienen oder überwiegend Fremdinteressen berücksichtigen oder auch Entscheidungen der Wohnungseigentümer, in denen Grundlagen für eine Ermessensentscheidung nicht vorlagen oder das Ermessen überschritten wurde. Ob im Übrigen ein Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, beurteilt sich im Rahmen der richterlichen Überprüfung nach den zum Zeitpunkt der Beschlussfassung zugrunde liegenden Verhältnissen bzw. Erkenntnissen der Wohnungseigentümer. Maßgebend ist der Kenntnisstand, den ein besonnener Wohnungseigentümer unter Ausschöpfung aller zu diesem Zeitpunkt zugänglichen Erkenntnisquellen ermittelt haben kann.[1]

So kann also durchaus ein Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen haben, auch wenn sich die Verhältnisse nachträglich geändert haben und der Beschluss aus aktueller Sicht ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht. Auch kann ein Beschluss zum Zeitpunkt der Beschlussfassung ordnungsmäßiger Verwaltung widersprochen haben, obwohl sich im nachhinein herausstellt, dass er nach aktuellen Erkenntnissen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen hätte.

 
Praxis-Beispiel

Festivitäten

Nicht mehr ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht die Beschlussfassung über Festivitäten, deren Kosten mit gemeinschaftlichen Mitteln bestritten werden sollen.[2] Unter Maßnahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung i. S. d. § 19 WEG fallen nämlich nur Maßnahmen, die im Interesse aller Wohnungseigentümer auf Erhaltung, Verbesserung oder dem der Zweckbestimmung des Gemeinschaftseigentums entsprechenden Gebrauch gerichtet sind.

 
Praxis-Beispiel

Liquiditätssonderumlage bei Hausgeldausfällen

Eine Ausfalldeckungssonderumlage zur Überbrückung von Hausgeldrückständen einzelner Wohnungseigentümer soll dann ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen, wenn die fehlenden finanziellen Mittel anderweitig aufgebracht werden können, etwa durch eine Teilauflösung der Rücklage oder Darlehensaufnahme. Auch könnten die Hausgeldschuldner entsprechend auf Zahlung verklagt werden.[3] Dieser Auffassung ist wohl lediglich für den Fall zuzustimmen, dass die Erhaltungsrücklage eine derart stattliche Höhe erreicht hat, dass eine Teilauflösung unter jeglichem Gesichtspunkt ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen würde. So dies in der Praxis lediglich nur selten der Fall sein dürfte, muss den Wohnungseigentümern ein Ermessen eingeräumt sein, wie sie mit Liquiditätslücken umgehen. Ein Darlehen ist jedenfalls mit Kosten verbunden, die Wohnungseigentümer sind daneben der unmittelbaren Teilhaftung des § 9a Abs. 4 WEG ausgesetzt. Die Klage gegen den oder die Hausgeldschuldner, die selbstverständlich zu erheben ist, verhilft ebenfalls nicht zu zeitnaher Abhilfe des Liquiditätsengpasses.

 
Praxis-Beispiel

Unbegründete Nutzungserschwerung

Ein Mehrheitsbeschluss, dass aus Sicherheitsgründen in einem 15-stöckigen Wohn- und Geschäftshaus der Aufzug von Besuchern nur bis zum 5. Obergeschoss (Ende der gewerblichen Nutzung) in Betrieb gesetzt werden kann und ab diesem Stockwerk die Benutzung erst dadurch ermöglicht wird, dass nunmehr der Wohnungsinhaber den Fahrstuhl rufen, unter Betätigung eines Schlüssels in Betrieb setzen und den Besucher im 5. Obergeschoss abholen muss, um dann gemeinsam mit ihm in das gewünschte Stockwerk zu gelangen, ist eine unbegründete Nutzungserschwerung.[4]

 
Praxis-Beispiel

Rückbau eines Treppenlifts

Ein Beschluss, nach dem ein 87-jähriger Wohnungseigentümer zum Rückbau eines Treppenlifts im gemeinschaftlichen Treppenhaus verpflichtet wird, dessen Einbau gestattet worden war, um der mittlerweile verstorbenen Ehefrau dieses Miteigentümers den notwendigen barrierefreien Zugang zu den Räumen des Sondereigentums zu ermöglichen, verstößt gegen Treu und Glauben.[5]

Zwar steht den Wohnungseigentümern grundsätzlich ein Rückbauanspruch zu, allerdings können sie diesen Anspruch ausnahmsweise nicht durchsetzen, da zu erwarten ist, dass der Gatte der Verstorbenen selbst alsbald den Treppenlift benötigen wird. Im Übrigen handelt es sich insoweit auch nur um eine Verlängerung des bestehenden Zustands, also des Vorhandenseins des Treppenlifts, und nicht um eine dauerhafte Verfestigung des bestehenden Zustands.

 
Praxis-Beispiel

Verschließen der Haustür zur Nachtzeit

Da Haustürschließanlagen existieren, die ein Verschließen des Hauseingangs zulassen und dennoch ein Öffnen durch flüchtende Bewohner ohne Schlüssel ermöglichen, entspricht es nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die Wohnungseigentümer beschließen, in den Nachtstunden die Haustür verschlossen zu halten. In Notsituationen kann sich die verschlossene Haustür für flüchtende Personen als tödliche Falle entpuppen. Ein derartiger Beschluss überschreitet das Ermessen der Wohnungseigentümer deutlich.[6]

 
Praxis-Beispiel

Dekorationen im Treppenhaus

Dekorationen im Treppenhaus sind nicht per se untersagt. Ein Wohnungseigentümer darf auf dem Treppenabsatz im Treppenhaus grundsätzlich Pflanzen sowie dazugehörig Töpfe bzw. Metallstä...

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