Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadenersatz aufgrund minderwertiger Silikon-Brustimplantate

 

Verfahrensgang

LG Frankenthal (Pfalz) (Urteil vom 14.03.2013; Aktenzeichen 6 O 304/12)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 22.06.2017; Aktenzeichen VII ZR 36/14)

BGH (Beschluss vom 13.01.2016; Aktenzeichen VII ZR 36/14)

BGH (Beschluss vom 09.04.2015; Aktenzeichen VII ZR 36/14)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des LG Frankenthal (Pfalz) vom 14.3.2013 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

II. Das Urteil ist ebenso wie das angefochtene Urteil des LG ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beklagte (damals noch firmierend als TÜV Rheinland Product Safety GmbH) wirkte seit 1997 bei der Zertifizierung der Medizinprodukte der französischen Firma "Poly Implant Prothèse" (im Folgenden Fa. PIP genannt) mit, welche Silikon-Brustimplantate herstellte. Im Auftrag der Fa. PIP vergab die Beklagte an diese zunächst das "TÜV Rheinland Prüfzeichen". Später führte die Beklagte bei der Fa. PIP in deren Auftrag als sog. Benannte Stelle im Sinne des europäisch harmonisierten Medizinprodukterechts das EU-Konformitätsbewertungsverfahren nach Anhang II der Richtlinie 93/42/EWG durch, welches die Fa. PIP als Herstellerin von Medizinprodukten berechtigte, auf den von ihr gefertigten Brustimplantaten ein "CE"- Kennzeichen im Sinne von Anhang XII der Richtlinie anzubringen. Die Durchführung des Konformitätsbewertungsverfahrens ist nach § 6 Abs. 1 MPG Voraussetzung dafür, dass Medizinprodukte in Deutschland in den Verkehr gebracht werden dürfen. Im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens wird das vom Hersteller eingerichtete Qualitätssicherungssystem zertifiziert und in regelmäßigen Abständen auditiert, was duch die Beklagte auch im Falle der Fa. PIP geschah.

Die Klägerin ließ sich am 1.12.2008 in Ludwigshafen am Rhein an beiden Brüsten operativ Brustgewebe entfernen und Silikon-Brustimplantate der Fa. PIP einpflanzen.

Im Frühjahr 2010 stellte die nationale französische Überwachungsbehörde "Agence française de sécurité sanitaire des produits de santé" (Afssaps) bei einer Inspektion in den Geschäftsräumen der Fa. PIP fest, dass das Unternehmen von ihm hergestellte Brustimplantate zu einem erheblichen Teil statt mit dem dafür vorgesehenen und zugelassenen Silikongel "NuSil" mit dem billigeren Industriesilikon "Baysilone M 1000" befüllte und vertrieb. Im Rahmen der Untersuchungen stellte sich heraus, dass die verantwortlichen Personen der Firma PIP vor Kontrollen der französischen Behörden und den - jeweils zuvor angekündigten - Überprüfungen durch Mitarbeiter der Beklagten den Herstellungsablauf wieder auf den zertifizierten Ablauf mit der Verwendung des zugelassenen Silikons "NuSil" umgestellt, sämtliche Hinweise auf die Verwendung von Industriesilikon versteckt, den Kontrolleuren jeweils nur eine Dokumentation über die Verwendung des zugelassenen Silikons vorgelegt und so über lange Jahre die französische staatliche Überwachungsbehörde und die Beklagte getäuscht hatten.

Aufgrund von entsprechenden Presseberichten und Gesundheitswarnungen befürchtete die Klägerin, dass auch die bei ihr eingesetzen Brustimplantate Industriesilikon enthielten. Sie ließ deshalb die Implantate am 31.5.2012 in der Universitätsklinik H. entfernen und durch andere Implantate ersetzen.

Gegen das zwischenzeitlich insolvente Unternehmen PIP, den vermögenslosen Firmenchef Jean-Claude Mas und weitere leitende Mitarbeiter der Fa. PIP sowie gegen den Haftpflichtversicherer der Fa. PIP (Allianz France) und auch gegen die Beklagte des vorliegenden Rechtsstreits sind - was zum Teil im Prozess vorgetragen und dem Senat im Übrigen aus allgemein zugänglichen Quellen bekannt ist - in Frankreich wegen der Verwendung von Industriesilikon in den Brustimplantaten verschiedene gerichtliche Verfahren anhängig:

  • Durch (nicht rechtskräftiges) Strafurteil des Tribunal correctionnel de Marseille vom 10.12.2013 wurden der Unternehmensgründer der Fa. PIP Jean-Claude Mas und weitere Mitangeklagte u.a. wegen Betruges - begangen auch zum Nachteil der Beklagten des vorliegenden Rechtsstreits - zu Haftstrafen und weiteren Sanktionen verurteilt.
  • Die Frage, ob die - von französischen Instanzgerichten (etwa der Cour d'Appel de Nîmes) grundsätzlich bejahte - Einstandspflicht des Haftpflichtversicherers der Fa. PIP, wie von diesem geltend gemacht, territorial auf in Frankreich eingetretene Schadensfälle begrenzt ist, ist u.a. Gegenstand von rund 20 Musterprozessen, die derzeit im Auftrag des österreichischen Konsumentenschutzministeriums für betroffene Frauen aus Österreich vor Zivilgerichten in Paris geführt werden.
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