Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwirkung durch Ausbruch aus intakter Ehe. Trennungsunterhalt: Verwirkung durch Ausbruch aus intakter Ehe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Allein der Umstand, dass Ehegatten seit neun Jahren keine geschlechtlichen Kontakte mehr miteinander unterhalten haben, zwingt nicht zu dem Schluss, ihre Ehe sei gescheitert.

2. Zu den Voraussetzungen der Verwirkung durch Ausbrechen aus einer intakten Ehe.

 

Normenkette

BGB a.F. § 1361 Abs. 3; BGB § 1579 Nr. 6; BGB n.F. § 1579 Nr. 7

 

Verfahrensgang

AG Neustadt an der Weinstraße (Urteil vom 14.05.2008; Aktenzeichen 1 F 304/07)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des AG - FamG - Neustadt an der Weinstraße vom 14.5.2008 geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien haben am ... geheiratet und leben seit 27.6.2007 getrennt voneinander.

Das Ehescheidungsverfahren ist seit Juni 2008 rechtshängig.

Aus der Ehe ist der Sohn S., geboren am ..., hervorgegangen.

S. lebte nach dem Auszug der Klägerin zunächst weiterhin bei seinem Vater in dessen Anwesen S. in H.

Am 15.12.2007 wechselte S. zu seiner Mutter, die mit ihrem Lebengefährten J. M. in dessen Eigentumswohnung in der F. in M. zusammenlebt. Zuvor lebte das Paar bereits gemeinsam in einer Wohnung in R.

Die Klägerin hatte bereits im Mai 2007 eine intime Beziehung zu ihrem jetzigen Lebensgefährten J. M. aufgenommen.

Die Klägerin, geboren am ..., hatte schon im Alter von ... Jahren geheiratet und übte während der Ehe lediglich Aushilfstätigkeiten aus. Seit 23.9.2008 geht sie einer Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 25 Stunden pro Woche nach; ihr Bruttolohn beläuft sich monatlich auf 1 200 EUR.

Der Beklagte, geboren am ..., war beamteter Diplom-Ingenieur bei der D.

Der Beklagte musste sich am 13.4.2005 wegen eines Enddarmkarzinoms einer Operation unterziehen; seine Erkrankung wurde in der Folgezeit mit Bestrahlungen und Chemotherapie behandelt.

Nachdem der Beklagte seit 28.6.2007 dienstunfähig erkrankt war, wurde er mit Wirkung zum 1.8.2008 in den Ruhestand versetzt.

Das Ruhegehalt des Beklagten beläuft sich monatlich auf 1 936,48 EUR; die Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung belaufen sich monatlich auf 263,57 EUR.

Beide Parteien gehörten der Glaubensgemeinschaft der Z. an; die Klägerin wurde zwischenzeitlich wegen Ehebruchs aus dieser Glaubensgemeinschaft ausgeschlossen.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug Trennungsunterhalt i.H.v. monatlich 769 EUR ab Juli 2007 begehrt.

Der Beklagte hat den Einwand der Verwirkung wegen Ausbrechens aus intakter Ehe erhoben und hierzu u.a. behauptet, die intime Beziehung der Klägerin zu J. M. bestehe bereits seit 12 Jahren.

Das FamG hat über diese Behauptung Beweis erhoben durch Vernehmung der vom Beklagten hierzu benannten Zeugin C. M., Ehefrau von J. M.

Das FamG hat den Beklagten in dem angefochtenen Urteil verurteilt, Trennungsunterhalt ab Juli 2007 in unterschiedlicher Höhe zu zahlen.

Zur Begründung hat das FamG im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe ihren Trennungsunterhaltsanspruch nicht verwirkt. Soweit der Beklagte behauptet habe, die intime Beziehung der Klägerin zu J. M. bestehe bereits seit 12 Jahren, habe die Zeugin C. M. dies nicht bestätigt. Darüber hinaus könne von einem Ausbruch aus intakter Ehe schon deswegen nicht die Rede sein, weil die Parteien - wie unstreitig - bereits seit 9 Jahren keinen Geschlechtsverkehr mehr miteinander gehabt hätten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten.

Mit seinem Rechtsmittel erstrebt der Beklagte die Abweisung der auf Zahlung von Trennungsunterhalt gerichteten Klage in vollem Umfang.

Er beruft sich nach wie vor auf den Einwand der Verwirkung wegen Ausbrechens aus intakter Ehe, behauptet aber nicht mehr, dass die Klägerin schon seit 12 Jahren eine intime Beziehung zu ihrem jetzigen Lebensgefährten J. M. unterhalten habe.

Der Beklagte ist der Auffassung, nach neuerer höchstrichterlicher Rechtsprechung sei es nicht mehr notwendig, dass eine neue Beziehung gefestigt sei und bereits mehrere Jahre bestehe; allein in der Aufnahme der eheähnlichen Beziehung gegen den Willen des Ehegatten liege ein Verwirkungsgrund. Darüber hinaus habe das FamG zu Unrecht angenommen, von einem Ausbruch aus intakter Ehe könne schon deswegen nicht ausgegangen werden, weil die Parteien bereits seit mehreren Jahren keinen Geschlechtsverkehr mehr miteinander gehabt hätten. Diese Auffassung finde im Gesetz keine Stütze; sie entspreche auch nicht der Lebenswirklichkeit. Zudem sei er seit mehreren Jahren krank, im Dezember 2004 sei ein Karzinom in Enddarm festgestellt worden. Dass angesichts dieser Belastungen kein Geschlechtsverkehr stattgefunden habe, lasse keinen Schluss darauf zu, dass die Ehe nicht mehr intakt gewesen sei. Nach der Operation im kleinen Becken sei Geschlechtsverkehr aus physischen Gründen nicht möglich gewesen. Sein ...

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