Leitsatz (amtlich)

Zum Begriff der "schlechten Wetterverhältnisse" in Nr. 8 .1 Bkat.

 

Verfahrensgang

AG Pirmasens (Entscheidung vom 13.01.2020; Aktenzeichen 4 OWi 4379 Js 558/19 jug)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Pirmasens vom 13. Januar 2020 mit den Feststellungen aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Pirmasens zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen Fahrens mit nicht angepasster Geschwindigkeit bei schlechten Sicht- oder Wetterverhältnissen, wodurch es zu einem Unfall verbunden mit einer Sachbeschädigung kam, zu einer Geldstrafe von 145 € verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, die er mit der Sachrüge begründet hat. Die Generalstaatsanwaltschaft Zweibrücken hat beantragt die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

Der Einzelrichter hat die Sache zur Fortbildung des Rechts dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden übertragen.

Die Rechtsbeschwerde führt zu einem vorläufigen Erfolg.

II.

Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

"Der Betroffene ist 17 Jahre alt und macht eine Ausbildung zum Schreiner in H. Seine monatliche Ausbildungsvergütung beträgt 530 € brutto. Der Betroffene hat keine Schulden. Im Fahreignungsregister existiert kein ihn betreffender Eintrag.

Am 05.10.2018 befuhr der Betroffene auf einem Motorrad mit dem amtlichen Kennzeichen ... nach 22 Uhr die B 270 in Pirmasens in Richtung Biebermühle. Es war dunkel. In einer Kurve, in der die Fahrbahn feucht war, rutschte das Motorrad aufgrund der nicht angepassten Geschwindigkeit des Motorrads weg, wodurch der Betroffene und das Motorrad gegen ein am Straßenrand stehendes Schild rutschten, das dadurch beschädigt wurde. Er selbst erlitt einen Beckenbruch."

Das Amtsgericht hat gem. §§ 3 Abs. 1, 1 Abs. 2, 49 StVO, § 24 StVG, 8.1. BKat, § 3 Abs. 3 BKatV iVm. Tabelle 4 im Anh. zu § 3 Abs. 3 BKatV eine Geldbuße von 145 Euro festgesetzt. Die Kosten des Verfahrens hat das Amtsgericht gem. § 46 Abs. 1 OWiG iVm. § 465 Abs. 1 StPO dem Betroffenen auferlegt.

III.

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

Die Feststellungen tragen die Verurteilung nicht.

Nr. 8.1 BKat stellt eine qualifizierte Begehungsweise des Grundtatbestands des Nr. 8.2 BKat dar, die jeweils zur Umsetzung der Anforderungen des § 3 Abs. 1 StVO iVm. § 24 StVG und § 49 StVO bestimmte Verhaltensweisen im Straßenverkehr, nämlich das Fahren mit nicht angepasster Geschwindigkeit mit der Folge einer Sachbeschädigung, als Bußgeldtatbestände ausgestalten. Während das Verursachen einer Sachbeschädigung infolge des Fahrens mit nicht angepasster Geschwindigkeit nach Nr. 8.2 BKat mit einem Bußgeld von 30 € bedroht ist, steigt dieses Regelbußgeld auf 100 €, wenn trotz angekündigter Gefahrenstelle, bei Unübersichtlichkeit, an Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen, Bahnübergängen oder bei schlechten Sicht- oder Wetterverhältnissen (z.B. Nebel, Glatteis) mit unangepasster Geschwindigkeit gefahren wird. Nach § 3 Abs. 3 BKatV erhöhen sich die Regelbußgelder im Fall einer Verwirklichung von Nr. 8.1 BKat, der eine Regelgeldbuße von mehr als 55 € vorsieht, nach Maßgabe der Tabelle Anhang Nr. 4.

1. Zum Tatbestandsmerkmal der unangepassten Geschwindigkeit wäre es erforderlich näher darzustellen wie die Straßen-, Sicht- und Wetterverhältnisse zum Unfallzeitpunkt waren und warum diese es nicht gestatteten, die fragliche Stelle mit der höchstzugelassenen Geschwindigkeit zu befahren (vgl. OLG Düsseldorf, NZV 1998, 167). Insbesondere ist durch Ausschluss anderer naheliegender Möglichkeiten festzustellen, dass der die Sachbeschädigung verursachende Unfall tatsächlich auf einer unangepassten Geschwindigkeit beruht und nicht etwa auf einen Fahrfehler des Betroffenen oder eine besondere Fahrbahnbeschaffenheit (Spurrillen, Ölspur, vgl. OLG Düsseldorf, NZV 1999, 178, 179) zurückzuführen ist. Es sind möglichst konkrete Feststellungen zur gefahrenen Geschwindigkeit (vgl. OLG Koblenz, SVR 2020, 33 mit zust. Anm. Fromm; vgl. allgemein zu den Möglichkeiten der Feststellung BeckOK StVR/Krenberger, 9. Ed. 1.10.2020, StVO § 3 Rn. 163-262) und - da im vorliegenden Fall die anderen Tatbestandsalternativen der Nr. 8.1 BKat nicht einschlägig sind - zu den konkreten Sicht- und Wetterbedingungen sowie dem Unfallhergang und dem eingetretenen Sachschaden zu treffen. Dabei können im Einzelfall die Tatsache eines Unfalls, dessen Ablauf und festgestellte erhebliche Unfallschäden als objektive Anhaltspunkte ausreichen, um eine offensichtlich zu hohe Geschwindigkeit anzunehmen. Die Ermittlung einer genauen Geschwindigkeit kann sich dann ggf. als nicht erforderlich darstellen (vgl. OLG Düsseldorf, NZV 1999, 178).

2. Auch die tatsächlichen Voraussetzungen unter denen im Sinne der Nr. 8.1 BKat von schlechten Sicht- und Wetterverhältnissen ausgegangen werden kann, ergeben sich aus den Urt...

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