Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschlagung einer Erbschaft. Anforderungen an die Kenntnis des Erben vom Anfall der Erbschaft und des Grundes der Berufung. Beginn der Frist zur Ausschlagung der Erbschaft. Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist bei Annahmefiktion wegen Verstreichens der für die Ausschlagung vorgeschriebenen Frist

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Anforderungen an die Kenntnis des gesetzlichen Erben von dem Anfall und dem Grunde der Berufung für den Beginn der Frist zur Ausschlagung der Erbschaft.

2. Zur Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist, wenn die Erbschaft wegen Verstreichens der für die Ausschlagung vorgeschriebenen Frist als angenommen gilt.

 

Normenkette

BGB § 119 Abs. 1, §§ 1943, 1944 Abs. 1-2, §§ 1945, 1954 Abs. 1-2, § 1956

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Beschluss vom 14.12.2005; Aktenzeichen 2 T 768/05)

AG Koblenz (Aktenzeichen 4 VI 532/04)

 

Tenor

I. Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Geschäftswertfestsetzung aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird das Verfahren zur erneuten Sachbehandlung und Entscheidung, auch über die etwaige Erstattung außergerichtlicher Kosten im Verfahren der weiteren Beschwerde, an das LG Koblenz zurückverwiesen.

II. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 13.361 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die verwitwete Erblasserin ist am 13.12.2003 im Alter von 89 Jahren verstorben. Der im Jahre 1950 geborene Beteiligte zu 1) ist das jüngste ihrer drei Kinder aus erster Ehe. Die Beteiligte zu 2) ist Gläubigerin eines ggü. der Erblasserin zu Lebzeiten durch bestandskräftigen Bescheid festgesetzten Rückforderungsanspruchs wegen zu Unrecht ausgezahlter Rentenleistungen i.H.v. restlich 13.361 EUR.

Im Zuge der Nachforschungen des Nachlassgerichts zur Ermittlung der Erben ist eine letztwillige Verfügung der Erblasserin nicht bekannt geworden.

Mit Schreiben vom 11.3.2004 teilte der Rechtspfleger des Nachlassgerichts dem Beteiligten zu 1) mit, dass seine Geschwister die Erbschaft ausgeschlagen und als Begründung dafür eine Überschuldung des Nachlasses angegeben hätten. Im Weiteren lautet der Formulartext des Anschreibens - auszugsweise - wie folgt:

"Soweit bekannt ist, dürfte Ihnen damit die Erbschaft angefallen sein. Falls Sie die Erbschaft nicht annehmen (ausschlagen) wollen, kann dies nur binnen einer Frist von 6 Wochen seit Kenntnis von dem Anfall und dem Grund der Berufung erfolgen. Die Frist beginnt bei testamentarischer Erbfolge frühestens mit der Testamentseröffnung, spätestens jedoch mit Erhalt dieses Schreibens. Sie kann nicht verlängert werden und führt nach Ablauf grundsätzlich zur Annahme der Erbschaft. Die Ausschlagungserklärung kann zur Niederschrift des Nachlassgerichts (AG Koblenz) oder in öffentlich beglaubigter Form (Unterschriftsbeglaubigung durch Notar oder - in Rheinland-Pfalz - auch durch die Stadt- bzw. Gemeindeverwaltung) erfolgen ..."

Mit eigenhändigem Brief vom 9.4.2004, beim Nachlassgericht eingegangen am 14.4.2004, antwortete der Beteiligte zu 1) dahin, dass er "die Nachlasssache (ablehne)".

Der Nachlassrechtspfleger wies den Beteiligten zu 1) mit Schreiben vom 15.4.2004 auf die Formunwirksamkeit der von ihm erklärten Erbausschlagung hin. Das gerichtliche Schreiben belehrt nochmals über den Regelungsinhalt der §§ 1944, 1945 BGB und enthält folgenden Satz:

"Die Ausschlagserklärung muss innerhalb der Ausschlagungsfrist bei dem Nachlassgericht vorliegen."

Am 18.5.2004 ging beim Nachlassgericht eine notariell beglaubigte Erklärung des Beteiligten zu 1) vom 20.4.2004 ein, worin dieser die Erbschaft aus allen Berufungsgründen ausschlägt. Mit weiterem Schreiben vom 27.8.2004, beim Nachlassgericht eingegangen am 30.8.2004, hat der Beteiligte zu 1) in notariell beglaubigter Form die Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist erklärt.

Die Beteiligte zu 2) hat zum Zwecke der Zwangsvollstreckung am 12.1.2005 gem. § 792 ZPO die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der bezeugen soll, dass die Erblasserin aufgrund gesetzlicher Erbfolge von dem Beteiligten zu 1) allein beerbt worden ist.

Gegen die durch Vorbescheid angekündigte Absicht des Nachlassgerichts, dem Erbscheinsantrag entsprechen zu wollen, hat der Beteiligte zu 1) Beschwerde eingelegt, die beim LG ohne Erfolg geblieben ist. Die Zivilkammer hat ihre Entscheidung - übereinstimmend mit dem AG - zusammengefasst im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Beteiligte zu 1) sei gesetzlicher Erbe geworden, weil im Zeitpunkt des Eingangs der formgültigen Ausschlagungserklärung beim Nachlassgericht am 18.5.2004 die mit Zugang des gerichtlichen Schreibens vom 11.3.2004 in Lauf gesetzte Ausschlagungsfrist von sechs Wochen abgelaufen gewesen sei. Zwar könne die verspätete Vorlage der formwirksamen Ausschlagungserklärung als Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist gewertet werden; es fehle jedoch an einem Anfechtungsgrund, weil nach den Gesamtumständen des Falles der Beteiligte zu 1) keiner Fehlvorstellung über die bei der Ausschlagung einzuhaltenden Formalien unterlege...

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