Entscheidungsstichwort (Thema)

Öffentlich-rechtliche Unterbringung; Rechtsmittelrecht der freiwilligen Gerichtsbarkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen und zum Umfang der Prüfung eines Antrags auf Feststellung der Rechtswidrigkeit beendeter Freiheitsentziehung (hier: öffentlich-rechtliche Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus) im Rechtsmittelzug der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

 

Normenkette

PsychKG Rheinland-Pfalz § 11 Abs. 1; FGG §§ 19, 27 Abs. 1, § 69f Abs. 1, § 70h; EMRK Art. 5 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Bad Kreuznach (Beschluss vom 18.11.2004; Aktenzeichen 2 T 140/04)

AG Simmern (Aktenzeichen 9 XIV 80/04)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Nach vorheriger richterlicher Anhörung ordnete das AG - Vormundschaftsgericht - auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde (Beteiligte zu 2) am 12.11.2004 im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Unterbringung des Betroffenen in einer Nervenklinik nach dem Landesgesetz für psychisch kranke Personen (PsychKG Rheinland-Pfalz) auf die Dauer von höchstens vier Wochen und die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses an (§§ 70h Abs. 1 und 2, 70g Abs. 3 FGG). Es stützte sich dabei auf ein Zeugnis der Amtsärztin Dr. W. vom selben Tage, die bei dem Betroffenen eine manisch-depressive Erkrankung (Zyklothymie) diagnostizierte und aufgrund seiner fehlenden Krankheitseinsicht erhebliche Eigen- und Fremdgefährdung bejahte. Gegen diesen Beschluss legte der Betroffene noch im Anhörungstermin vom 12.11.2004 sofortige Beschwerde ein. Das LG hat mit Beschluss des Einzelrichters vom 18.11.2004 - nach Einholung fernmündlicher Auskünfte und eines schriftlichen "Kurzgutachtens" seitens der den Betroffenen im psychiatrischen Krankenhaus behandelnden Nervenärzte - die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen hat der Betroffene durch seine anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten am 3.12.2004 beim LG sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Die Akte ist am 15.12.2004 beim OLG Zweibrücken eingegangen. Am 14.12.2004 wurde der Betroffene aus der psychiatrischen Klinik entlassen, wo er nach Ablauf der vom VormG angeordneten Unterbringungsdauer (10.12.2004) zunächst freiwillig verblieben war. Nach Hinweis des Senats auf die eingetretene Erledigung der Hauptsache haben die Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen die weitere Beschwerde auf den Feststellungsantrag umgestellt, dass die Unterbringung in der Zeit vom 12.11.2004 bis zum 14.12.2004 rechtswidrig gewesen sei.

II. Die sofortige weitere Beschwerde ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei und somit zulässig (§§ 70 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, 70m Abs. 1, 70g Abs. 3, 70h Abs. 1, 27 Abs. 1, 29 Abs. 1, 2 und 4, 20 Abs. 1 FGG). In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Die im Verfahren der weiteren Beschwerde allein zur Überprüfung stehende Entscheidung des LG über die Erstbeschwerde des Betroffenen gegen die Anordnung der vorläufigen öffentlich-rechtlichen Unterbringung beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). Damit erweist sich das Feststellungsbegehren des Betroffenen, soweit der Senat darüber zu befinden hat, als unbegründet.

Im Einzelnen gilt dazu Folgendes:

1. Im Hinblick auf die nunmehr ausdrücklich begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringung wird die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht dadurch berührt, dass der Betroffene nach Erlass der landgerichtlichen Beschwerdeentscheidung und nach Verstreichen der vom VormG angeordneten Unterbringungsdauer aus dem psychiatrischen Krankenhaus entlassen wurde.

a) Allerdings hat sich die vom LG bestätigte Unterbringungsmaßnahme durch Zeitablauf in der Hauptsache erledigt. Nach gefestigter Rechtsprechung schließt im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Eintritt der Erledigung der Hauptsache eine Sachentscheidung aus. Erledigt sich die Hauptsache, wird ein zuvor mit dem Ziel der Aufhebung der beanstandeten Maßnahme eingelegtes Rechtsmittel unzulässig, wenn nicht der Beschwerdeführer seinen Beschwerdeantrag auf die Kosten beschränkt. Auch die Fortsetzung des Verfahrens zum Zwecke der Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme ist regelmäßig ausgeschlossen (Keidel/Kahl, FGG, 15. Aufl., § 19 Rz. 94, m.w.N.).

b) Das BVerfG hat jedoch - unter Aufgabe seiner früheren gegenteiligen Rechtsprechung - in einer Reihe jüngerer Erkenntnisse (BVerfG NJW 1997, 2163; v. 24.3.1998 - 1 BvR 1935/96, NJW 1998, 2131; v. 10.5.1998 - 2 BvR 978/97, NJW 1998, 2432) dahin entschieden, dass zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes bei tiefgreifenden Grundrechtseingriffen, wie sie insb. mit freiheitsentziehenden Maßnahmen verbunden sind, Art. 19 Abs. 4 GG den Rechtsmittelgerichten gebiete, ein von der jeweiligen Verfahrensordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht ineffektiv zu machen. Deshalb sei das Rechtsschutzinteresse in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe auch dann zu bejahen, wenn sich die direkte Belastung durch die angegriffene Maßnahme zwar erledigt hat, eine Sachentscheidung nach dem typisc...

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