Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Unterscheidung zwischen Wegnahmerecht und Zurückbehaltungsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Das Wegnahmerecht des Besitzers gem. § 997 Abs. 1 BGB begründet kein Zurückbehaltungsrecht i.S.d. § 273 BGB für den Besitzer, sondern nur einen Anspruch auf Gestattung der Wegnahme gem. § 258 S. 2 BGB gegen den Eigentümer. Der Herausgabeanspruch des Eigentümers besteht deshalb in vollem Umfang ungeachtet der Pflicht zur Gestattung der Wegnahme.

 

Normenkette

BGB §§ 258, 273, 997 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Landau (Pfalz) (Beschluss vom 06.02.2006; Aktenzeichen 2 O 492/02)

 

Tenor

I. Der angefochtene Beschluss wird geändert:

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Beklagten zur Last.

III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf bis zu 1.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt vom Beklagten nach Rückabwicklung eines gescheiterten Kaufvertrages die Herausgabe eines Kfz. Der Beklagte macht demgegenüber ein Zurückbehaltungsrecht geltend mit der Begründung, er habe eine Anzahlung i.H.v. 2.000 EUR geleistet und überdies diverse Einbauten in dem Fahrzeug vorgenommen, die er seinerseits herausverlangen könne. Die Klägerin hat gegen die Forderung auf Rückzahlung der geleisteten Anzahlung mit Schadensersatzansprüchen auf Erstattung von Wertminderung und Rechtsanwalts- und Vollstreckungskosten sowie Zahlung einer Nutzungsentschädigung aufgerechnet.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Zivilkammer haben die Parteien einen Vergleich geschlossen, in welchem der Beklagte der Herausgabe des Kfz zugestimmt und die Klägerin ihre Bereitschaft erklärt hat, die vom Beklagten eingebauten Teile auf ihre Kosten auszubauen und dem Beklagten zu übergeben.

Mit der angefochtenen Kostenentscheidung hat der Einzelrichter der Zivilkammer sodann die Kosten des Rechtsstreits zu 1/3 der Klägerin auferlegt mit der Begründung, dem Herausgabeanspruch der Klägerin hätten Gegenansprüche des Beklagten gegenübergestanden, die eine unbedingte Verurteilung des Beklagten hätten hindern können.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.

II. Das zulässige Rechtsmittel der Klägerin führt auch in der Sache zum Erfolg. Entgegen der Ansicht des Einzelrichters sind dem Beklagten die Prozesskosten in vollem Umfang gem. § 91a ZPO aufzuerlegen, da die gegen ihn gerichtete Klage auf Herausgabe von Anfang an begründet war. Die vom Beklagten ggü. dem Herausgabeverlangen der Klägerin geltend gemachten Einwendungen waren nämlich nicht geeignet, den auf § 985 BGB gestützten Herausgabeanspruch der Klägerin zu Fall zu bringen oder eine Zug-um-Zug-Verurteilung zu erwirken.

Dem Beklagten stand ein Zurückbehaltungsrecht ggü. dem Herausgabeanspruch der Klägerin nicht zu.

Der Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Anzahlung i.H.v. 2.000 EUR ist durch die in der Klageschrift erklärte Aufrechnung der Klägerin mit Ansprüchen auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung und Nutzungsausfallentschädigung untergegangen.

Auch ein Herausgabeanspruch des Beklagten im Hinblick auf die im Fahrzeug eingebauten Teile ist nicht gegeben. Insoweit steht dem Beklagten gem. § 997 Abs. 1 BGB lediglich das Recht zu, diese Gegenstände selbst wieder aus dem Fahrzeug zu entfernen. Dieses Wegnahmerecht begründet kein gesetzliches Zurückbehaltungsrecht (BGH WM 1961, 181; Roth, Jus 1997, 1091; OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.1998 - 10 U 191/97, 12. Juris). Die Klägerin ist nach Maßgabe des § 258 S. 2 BGB lediglich verpflichtet, dem Beklagten die Wegnahme der eingebauten Teile zu gestatten. Demgegenüber erstreckt sich das Recht der Klägerin als Eigentümerin zum Besitz an dem Pkw auch auf die eingebauten Teile, solange sie noch nicht vom Beklagten weggenommen sind. Ihr Herausgabeanspruch besteht daher in vollem Umfang ungeachtet der Pflicht zur Duldung der Wegnahme.

Der im Beschwerdeverfahren unterlegene Beklagte hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes errechnet sich aus der Höhe des Prozesskostenanteils, welcher der Klägerin im angefochtenen Beschluss auferlegt worden ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1521051

BauR 2006, 1035

OLGR-West 2006, 613

www.judicialis.de 2006

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