Verfahrensgang

LG Ulm (Entscheidung vom 01.06.1995; Aktenzeichen 6 O 20/94)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Ulm vom 01.06.1995 - 6 O 20/94 - wie folgt abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 306.650 DM nebst 7,5 % Zinsen hieraus seit dem 01.07.1993 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen trägt der Kläger 1/4, der Beklagte 3/4.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 DM, der Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 380.000 DM abwenden, wenn nicht die jeweils andere Seite vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Wert der Berufung: 410.400 DM

Beschwer für Kläger und Beklagten: über 60.000 DM

 

Tatbestand

Gegenstand der Klage ist der ausstattungsmäßige und räumliche Mehrbedarf des Klägers, wie er in dem 1992 errichteten Haus seiner Eltern anfällt.

Der am 10.03.85 geborene Kläger leidet seit seiner Geburt infolge einer Hirnschädigung an einer spastischen Tetraplegie, welche ihn nahezu vollständig bewegungsunfähig macht. Er kann ferner nicht sprechen. Auch ist er nicht in der Lage, Blasen- und Darmfunktionen zu kontrollieren. Aufgrund des Urteils des Landgerichts Ulm vom 05.09.90 - 1 O 79/87-01 - steht rechtskräftig fest, dass der Beklagte infolge behandlungsfehlerhaft verzögerter Schnittentbindung verpflichtet ist, dem Kläger den künftig entstehenden materiellen Schaden aus der Entbindung zu ersetzen, soweit Ersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind (Tenor Ziff 3). In den Gründen wird ausgeführt, dass die dem Kläger zugesprochene Mehrbedarfsrente einmalig anfallende Sonderaufwendungen wie z.B. Umbaumaßnahmen an Gebäuden nicht abdeckt (S. 55 des Urteils).

Die Eltern des Klägers hatten vor seiner Geburt im Oktober 1984 das Hausgrundstück T. in U.H. erworben. Die Wohnfläche des Hauses umfasst 130 qm. Seit Anfang 1990 bewohnte die auf 5 Personen angewachsene Familie das Haus allein. Vor die Wahl gestellt, das Haus behindertengerecht umzubauen oder einen entsprechend geplanten Neubau zu errichten, entschlossen sich die Eltern des Klägers - sachverständig beraten durch den Architekten Prof. Dr. S. - zugunsten der Alternative Neubau. Dieser wurde auf dem Grundstück H. in U.H. errichtet und im Oktober 1992 bezogen. Die Eltern des Klägers haben für das erschlossene Grundstück 155.500 DM bezahlt, für die schlüsselfertige Errichtung des Hauses durch die Fa. H. weitere 762.420 DM. Die Gesamtkosten betragen nach der Aufstellung des Vaters des Klägers unter Einbeziehung der behindertenbedingten Mehraufwendungen 1.390.762,85 DM (vgl. zuletzt vom 20.03.1995, Bl. 306 ff. d.A.). Als Mehrkosten macht der Kläger davon 360.000 DM zuzüglich 14 % Mehrwertsteuer, also 410.400 DM geltend.

Er hat hierzu vorgetragen:

Der Neubau der Eltern sei ausschließlich durch seine Behinderung veranlasst worden. Er benötige zusätzlich einen Therapieraum, ein auf seine Bedürfnisse zugeschnittenes Bad, Abstellflächen und eine Garage für das behindertengerechte Fahrzeug. Wegen des Einsatzes des Rollstuhls fielen Mehrflächen im Eingangsbereich, den Fluren sowie im Wohn-und Esszimmer an. Ferner seien Mehrkosten wegen des Fahrstuhls und sonstiger, auf seine Behinderung zurückzuführender Ausstattungen entstanden. Die auf seine Behinderung entfallenden monatlichen Aufwendungen der Eltern betrügen mindestens 2.700 DM. Er ist der Auffassung, ihm stehe ein Anspruch auf einmalige Abfindung zu. Falls ihm dies nicht zugebilligt werde, verlange er hilfsweise eine Mehrbedarfsrente in der oben genannten Höhe.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 410.400 DM nebst 10 % Zinsen hieraus seit dem 01.07.1993 zu bezahlen,

hilfsweise:

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger zur Abgeltung des Mehraufwands infolge behindertengerechten Wohnens eine monatlich im Voraus zu zahlende Mehrbedürfnisrente in Höhe von 2.700 DM ab dem 01.01.1993, die rückständigen Beträge sofort, zu bezahlen.

Der Belklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen:

Der Neubau des Hauses H. sei nicht ausschließlich wegen der Behinderung des Klägers, sondern auch wegen eines in den Ansprüchen gestiegenen Wohnbedarfs erfolgt. Damit werde ein Teil der Bedürfnisse des Klägers befriedigt. Der darüber hinausgehende Bedarf rechtfertige allenfalls einen Betrag von 149.616,31 DM (Bl. 15 d.A., vgl. dazu das Schreiben der Haftpflichtversicherung des Beklagten vom 28.10.1993, Anl. K 7). Ferner dürfe dem Kläger nicht auf Kosten des Beklagten Immobiliareigentum verschafft werden.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Architekten Dipl.-Ing. L.M., M. (Gutachten Bl. 66 ff. d.A.). Der Sachverständige hat sein Gutachten im Termin vom 12.04.1995 erläutert (Bl. 135 ff. d.A.).

Das Landgericht ist im Urteil vom 01.06.1995 dem Klagan...

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