Leitsatz (amtlich)

1. Die Abdichtung von Balkonen ist besonders überwachungsbedürftig. Der Architekt muss sie deshalb einer konkreten Überwachung unterziehen.

2. Arglistiges Verhalten des Architekten mit der Folge des Ausschlusses des Verjährungseinwands gem. § 638 BGB a.F. kommt in Betracht, wenn der Architekt weiß, dass er seine Überwachungspflicht nicht korrekt wahrgenommen hat, er deshalb damit rechnen muss und in Kauf nimmt, einen wesentlichen Ausführungsmangel übersehen zu haben, und er dieses Risiko nicht offenlegt.

 

Verfahrensgang

LG Tübingen (Urteil vom 30.11.2007; Aktenzeichen 4 O 404/06)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Vorsitzenden der 4. Zivilkammer des LG Tübingen vom 30.11.2007 - 4 O 404/06 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert in der Berufungsinstanz: 16.572,95 EUR.

 

Gründe

I. Die Kläger verlangen aus abgetretenem Recht vom Beklagten Schadenersatz wegen mangelhafter Architektenleistung. Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.

Die Kläger sind Wohnungseigentümer der Wohnanlage V. (Straßenname) in Tübingen. Das 1994 fertig gestellte und abgenommene Gebäude wurde von der Fa. R. (R.) errichtet. Diese hatte mit Vertrag vom 12.2.1992 die "Planungsgruppe a. (a.) mit der Vollarchitektur beauftragt. Im Architekturbüro war Architekt G. für die Bauaufsicht zuständig. Der Beklagte gehört a. als Partner an. Mit der Errichtung des Gebäudes hatte R. durch Vertrag vom 20.8.1992 die Gebr. H. (H.) als Generalunternehmerin beauftragt.

Im Jahr 2003 trat in einer der beiden Dachgeschosswohnungen des Gebäudes Feuchtigkeit auf. Ein darauf von den Klägern eingeholtes Privatgutachten des Sachverständigen Prof. Dr. N. vom 9.5.2005 (Akte 4 OH 10/05 Anlage A 7) stellte grobe Mängel in der Ausführung des Flachdachs fest. Im Rahmen eines vor dem LG Tübingen geführten selbständigen Beweisverfahrens der Kläger gegen H. (4 OH 10/05) erstattete dann der gerichtliche Sachverständige M. Gutachten vom 6.5.2006 und 17.6.2006. Er stellte u.a. fest, dass die Dachterrassen beider Dachgeschosswohnungen unzureichend abgedichtet waren. Der Ablaufstutzen am Durchlass durch die Abdichtung besaß keinen Klebeflansch und war nur mit Bitumenmasse unzulänglich abgedichtet.

In der Folge ließen die Kläger beide Dachterrassen für 23.907,56 EUR sanieren. Durch Malerarbeiten zur Ausbesserung der Wasserschäden entstanden weitere Kosten i.H.v. 526,61 EUR. Für die Begutachtung durch den Sachverständigen Prof. Dr. N. wandten die Kläger zudem EUR 431,81 auf.

Von R. wurden etwaige Schadensersatzansprüche gegen H. und a. an die Kläger abgetreten (Akte 4 OH 10/05 Anlage A 5).

Den Schaden i.H.v. insgesamt 24.865,98 EUR haben die Kläger vom Beklagten ersetzt verlangt. Aus ihrer Sicht wurden die Kosten durch ein Überwachungsverschulden des von a. eingesetzten Bauleiters G. verursacht. Dieser habe arglistig verschwiegen, dass er die Bauaufsicht unzureichend ausgeübt habe. G. habe als Architekt auch von sich aus über seine Fehler aufklären müssen. Da er das nicht getan habe, könne sich der Beklagte auf Verjährung nicht berufen.

Der Beklagte hat vorgetragen, G. sei ein langjähriger Mitarbeiter. Er habe sich als zuverlässig und fachlich kompetent erwiesen. G. habe keine Kenntnis von der mangelhaften Ausführung der Abdichtung gehabt. Zum Zeitpunkt der Ausführung der Arbeiten sei G. nicht auf der Baustelle gewesen. Er habe die Baustelle in regelmäßigen Abständen überprüft, ohne dass Mängel festzustellen gewesen wären. Bei der Ausführung der seitlichen Abläufe der Dachterrassen handele es sich um allgemein übliche Bauarbeiten, deren Ablauf den Mitarbeitern der Fa. H. hätten bekannt gewesen sein müssen. G. habe sich auf deren Zuverlässigkeit verlassen dürfen, ohne jeden einzelnen Arbeitsschritt zu kontrollieren. Die Sanierungskosten seien überhöht. Zudem sei ein Abzug unter dem Gesichtspunkt "neu für alt" vorzunehmen.

Das LG Tübingen hat u.a. die Akten des dortigen Verfahrens 4 OH 10/05 beigezogen und den Sachverständigen M. im Termin zur mündlichen Verhandlung am 11.5.2007 (Bl. 82) und 9.10.2007 (Bl. 120) ergänzend vernommen.

Das LG hat den Beklagten mit Urteil vom 30.11.2007 (Bl. 138), dem Beklagten zugestellt am 3.12.2007 (Bl. 149), zur Zahlung von 16.572,95 EUR sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten i.H.v. 1.956,34 EUR verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat einen Überwachungsfehler des G. angenommen und ist wegen Vorliegens eines gravierenden Baumangels von einem arglistig verschwiegenen Werkmangel ausgegangen. Bei der Bestimmung der Höhe des Schadens hat das LG einen Abzug von 1/3 unter dem Gesichtspunkt "neu für alt" vorgenommen. Die Maler- und Sachverständigenkosten wurden in voller Höhe angesetzt. In Höhe von 485,77 EUR hat es Sanierungskosten nicht für erstattungsfähig gehalten, weil im Rahmen der Sanierung ein hochwertigerer Plattenbelag ("Korzillus"-Terrassenplatten statt Waschbetonplatten) aufgebracht wurde.

Der Beklagte wendet sich mit s...

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