Verfahrensgang

LG Ravensburg (Urteil vom 15.01.2021; Aktenzeichen 4 O 222/20)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 15. Januar 2021 abgeändert und die Klage abgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Kosten des Verfahrens in erster Instanz trägt der Kläger.

III. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert: 5.795,34 Euro

 

Gründe

A Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz nach dem Erwerb eines Personenkraftwagens.

Wegen des Sachverhalts wird auf die tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts in der berichtigten Fassung des angefochtenen Urteils verwiesen. Zusammengefasst: Der Kläger erwarb am 25.05.2012 einen X. zum Preis von 30.300,00 Euro. Es handelte sich um einen Gebrauchtwagen, der zu diesem Zeitpunkt einen Kilometerstand von 27.482 Kilometern aufwies.

In diesem Fahrzeug ist werksseitig ein von der Beklagten hergestellter Dieselmotor mit der herstellereigenen Typenbezeichnung EA 189 eingebaut, der die in der VO (EG) Nr. 715/2007 angeordneten Emissionsgrenzwerte bezüglich der Masse der Stickoxide zwar auf dem Prüfstand unter Laborbedingungen im sogenannten Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) einhielt, jedoch im realen Straßenverkehr weit überschritt, was darauf zurückzuführen war, dass die Beklagte diesen Motor per Softwaresteuerung mit zwei Betriebsmodi versehen hat.

Die Beklagte hat im Laufe der ersten Instanz die Einrede der Verjährung erhoben und in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Einrede der Verjährung fallengelassen werde.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 5.795,34 Euro (Kaufpreis abzüglich Nutzungsvorteile) Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs verurteilt. Weiter hat es die Beklagte zur Zahlung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 633,94 Euro verurteilt.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung der Beklagten. Sie erhebt erneut die Einrede der Verjährung.

Die Beklagte beantragt,

das am 15. Januar 2021 verkündete Urteil des Landgerichts Ravensburg, Az. 4 O 222/20, im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte habe bereits erstinstanzlich auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Die Ansprüche seien auch nicht verjährt.

B Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

I. Zwar haftet die Beklagte wegen Inverkehrbringens des Fahrzeugs, dessen Betriebserlaubnis im Hinblick auf die im Rahmen des EG-Typgenehmigungsverfahrens nicht offengelegte Umschaltlogik in Frage stand, aus den vom Landgericht genannten Gründen dem Grunde nach aus § 826 BGB auf Schadensersatz (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, juris Rn. 13 ff.). Dieser Anspruch des Klägers ist jedoch verjährt.

1. Die Beklagte ist nicht gehindert, die Einrede der Verjährung - erneut - in der Berufungsinstanz zu erheben.

a) Der Erhebung dieser Einrede steht nicht entgegen, dass die Beklagte sie in der ersten Instanz fallen gelassen hat. Das Fallenlassen der Geltendmachung einer materiellrechtlichen Einrede hat nicht ohne weiteres die Bedeutung einer Aufgabe des betreffenden Gegenrechts (eingehend OLG Stuttgart, Urteil vom 29. April 2021 - 2 U 302/20; Revision anhängig: BGH Az. VII ZR 376/21). Wenn nicht andere Umstände für etwas anderes sprechen, kann solch eine Erklärung nur dahin verstanden werden, dass der Beklagte damit lediglich den prozessualen Zustand wieder herstellt, der vor Erhebung der betreffenden Einwendung bestanden hat; denn die unmittelbare Bedeutung der Erklärung ist nur die, dass aus dem Verteidigungsvorbringen der Teil, der sich auf die fragliche Einrede stützt, wegfallen soll. Darin liegt nicht zugleich ein Verzicht auf die Verteidigungsmöglichkeit, die sich aus dem Gegenrecht ergibt (BGH, Urteil vom 29. November 1956 - III ZR 121/55, juris Rn. 13). So liegt es auch hier, denn die protokollierte Erklärung beschränkt sich auf den Inhalt, dass die Einrede der Verjährung fallengelassen werde. Ihr lassen sich keine Umstände entnehmen, die für eine darüber hinausgehende Bedeutung sprächen. Sie kann deshalb nicht im Sinne eines Verzichts auf das Gegenrecht verstanden werden.

b) Der Erhebung der Einrede der Verjährung steht auch nicht § 531 Absatz 2 ZPO entgegen. Demnach sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur unter bestimmten - hier nicht vorliegenden Voraussetzungen - zuzulassen. Diese Bestimmung ist jedoch nicht auf die erstmals in zweiter Instanz erhobene Verjährungseinrede anzuwenden, wenn zwischen den Parteien sowohl die Erhebung der Einrede als auch die sie begründenden tatsächlichen Umstände unstreitig sind (BGH, Beschluss vom 23. Juni 200...

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